Matthias Reder, Consultant und Experte zum Thema Bitcoin vom österreichischen Bitcoin-Broker-Unternehmen Coinfinity, erklärt im exklusiven Interview mit Kryptoszene.de wie die meisten Menschen den Bitcoin missverstehen, er für Kriminalität völlig ungeeignet ist und für Investoren einen willkommenen Bonus im Portfolio darstellt – auch in Zukunft.
Herr Reder, inwiefern ist die Technologie von Bitcoin interessant für Unternehmen?
Bitcoin ist Peer 2 Peer Electronic Cash und grundlegend ein Zahlungsmittel. Nicht nur Privatpersonen, vor allem auch Unternehmen wünschen sich von einem Zahlungssystem, dass es dann funktioniert, wenn man es braucht. Firmen haben viele Vorteile bei der Nutzung von Bitcoin: Als Wertspeicher oder günstiger Zahlungsverkehr im Ausland. Waren und Dienstleistungen in großem Maß können dabei schnell und vor allem sicher bezahlt werden. Bei einer sechsstelligen Eurosumme sind die Transaktionskosten noch dazu extrem gering und somit für den Großhandel sehr attraktiv. Wenn es ums Geld geht brauchen Unternehmen eben ein stabiles System. Hier gilt nicht der Valutatag, sondern die Valutasekunde.
Wird Bitcoin nicht bald als veraltet gelten, es gibt ja mittlerweile so viele neue Technologien?
Nein, Bitcoin ist auch nicht so einfach mit anderen Kryptowährungen und Technologien zu vergleichen. IOTA in etwa hat einen ganz anderen Ansatz. Es geht dabei um die Erhebung und das Sammeln von Daten, man hat deshalb ganz andere Anforderungen an den Token mIOTA als an Bitcoin. Außerdem: Fragt man Leute im Alltag ob sie Bitcoin kennen, werden von zehn Leuten etwa sechs sagen, sie haben davon gehört. Bei den anderen Kryptos werden es weitaus weniger sein. Der Bitcoin war als erstes da und macht derzeit etwa 70 Prozent vom Gesamtmarkt der Kryptowährungen aus. Er ist immer noch das liquideste Asset, hat die meisten Händler, die meisten Wallets und die meisten User. Diesen Vorteil wird in naher Zukunft niemand streitig machen können.
Warum nicht? IOTA, Ethereum und Ripple sind unter Investoren ebenfalls sehr beliebt.
Bitcoin ist People’s Money. Er gehört uns allen, aber gleichzeitig auch niemandem. Und so wie er technologisch ausgestattet ist, mit dem Ablauf, den Variationen, den Nodes, dem Zusammenspiel mit den Minern, mit den Wallets, mit den Schlüsselpaaren, die machen ihn einzigartig. Andere Kryptos, wie etwa IOTA, haben zwar ein extrem geschicktes technologisches Konzept, etablieren sich aber eher in Nischen wie in der Kooperation mit Unternehmen, wie zum Beispiel auch der Facebook Libra. Den Bitcoin mit seiner Blockchaintechnologie kann ich aber ohne Rückschlüsse auf meine Person handeln.
„Der Bitcoin ist für Kriminelle quasi völlig ungeeignet“
Bin ich mit dem Bitcoin wirklich anonym?
Ja und nein. Der Bitcoin gilt nicht als anonym, sondern pseudoanonym. Die Deutsche Bundesregierung zum Beispiel stuft den Bitcoin laut nationaler Risikoanalyse als pseudoanonym ein. Das heißt, sie sehen das Risiko für Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und Kriminalität eigentlich als mittel bis niedrig. Viele kriminelle Täterkreise aus dem Darknet zum Beispiel wurden schon ausgehoben, da man bei diesen mit Bitcoin kaufen musste. Diese Nachvollziehbarkeit aller Transaktionen macht ihn für Kriminelle quasi völlig ungeeignet.
Wegen der Möglichkeit der Rückverfolgung?
Genau. Man hat eben ein Netzwerk aus Wallets und da werden Bitcoins hin und her geschickt. Sobald du etwas im Internet kaufst, bist du in dem Netzwerk vermerkt. Gibt man die Bitcoins, die man besitzt, nie aus, dann ist man de facto unter dem Radar. So wie man beginnt die Bitcoins auszugeben, ist man sofort irgendwo am Radar.
…wie, am Radar?
Es gibt sogenannte Tracingfirmen, welche Wallet-Adressen taggen können. Ist die Adresse irgendwo etwa im Darknet aufgetaucht, können sich diese mit einem Alert zeigen lassen wann und wo eine Transaktion verläuft. Transaktionen werden in Datenbanken gespeichert, die es seit Beginn des Bitcoin gibt. Die sogenannten Nodes, die Bitcoin-Transaktionen validieren, brauchen nicht viel Speicher und sind für jeden zugänglich, der etwa 300 Gigabyte an Speicher am Computer frei hat. Somit hat jeder Zugang zu dem digitalen Kontenbuch von Bitcoin. Durch diese Dezentralität der gespeicherten Transaktionen ist der Bitcoin für Kriminelle schlichtweg ungeeignet.
Dezentral und ungeregelt – ist das wirklich positiv für die Zukunft unseres Handelssystems?
Naja, der Bitcoin ist zwar ein ungeregelter Markt, aber wenn es um das Traden geht gibt es etablierte Exchange Plattformen, über die der Handel gut funktioniert. Die Nummer eins ist derzeit Binance, das in verschiedenen Ländern der Welt Sitze hat und überall wo es ist rechtlich immer in der Grauzone steckt. Jedes Land hat seine eigenen Richtlinien in Bezug auf das Handeln und Geldwäsche. In New York etwa braucht man eigene Lizenzierung damit man Cryptoexchange durchführen darf und das nur mit Menschen, die den Wohnsitz dort haben. Trotzdem ist der Bitcoin-Markt hochfrequentiert. Binance macht einen höheren Quartalsgewinn als die Deutsche Bank, mit 200-250 Millionen US-Dollar pro Quartal.
„1-5% in Bitcoin bleibt im Investment-Portfolio attraktiv“
Wenn das teilweise so kompliziert ist, kann das Investment in Bitcoin überhaupt noch beliebt bleiben?
Dazu muss man grundlegend denken: Wie viele Leute nutzen und halten Kryptos generell? Wie viele registrierte Nutzer gibt es auf den Exchanges? Auch die aktiv benutzten Wallets muss man sich auch vor Augen halten. Bitcoin hat im 2018er Jahr einen 60-70 prozentigen Kurs-Rückgang eingesteckt, aber die Nutzerzahlen der Wallets und die vollregistrierten Nutzer haben sich mehr als verdoppelt. Man kann natürlich sagen, jeder der sich irgendwo anmeldet, hat eine andere Intention. Einer will sein Geld vor Inflation retten, ein anderer möchte sich in sein Investorenportfolio eine Assetklasse einfügen, welche wenig oder gar nicht mit anderen Assetklassen korreliert. Trotzdem will jeder Investor aber ein attraktives Chancen-Risiko Verhältnis haben. Deswegen denke ich persönlich, dass 1-5% in Bitcoin und eventuell 2 bis 3 andere Kryptoassets in einem Investment-Portfolio für viele auf jeden Fall attraktiv bleiben wird.
Aber trotzdem verstehen die meisten Menschen noch gar nicht, wie man mit Kryptos umgeht. Auch nicht die, die schon lange investieren, oder?
Sagen wir es so: Personen, die per se an Bitcoin interessiert sind, die machen sich meist grundlegende Gedanken über unser Geldsystem. Wie etwa die Geldschöpfung der Geschäftsbanken aus dem Nichts: damit beschäftigt sich fast jeder Bitcoin-Investor. Über den Bitcoin fangen die Leute an, sich wieder mehr mit dem Finanzsystem zu beschäftigen. Und wer es grundlegend versteht, sieht es, denke ich, sehr skeptisch. Und dann erweitert man sein Blickfeld. Das „People’s money“, wie der Bitcoin es ist, wird dann einen Vorteil für die Leute bieten, und nicht ein JP Morgan-Coin, kein Facebook Libra, kein E-Yuan oder E-Euro, sondern ein dezentralisiertes Zahlungs- bzw. Tauschmittel wie Bitcoin.
Wird durch viel mehr Investition der Kurs nicht wieder tief fallen?
Niemand kann den Bitcoin Kurs in den nächsten 5 Minuten vorhersagen, geschweige denn die nächsten Tage oder Monate. 35 Millionen registrierte Menschen weltweit handeln derzeit etwa pro Tag 3 bis 4 Milliarden in Fiat. Was passiert, wenn das 70 Millionen sind? Oder 100 Millionen? Dann steigt eben auch das Handelsvolumen. Mehr Akteure ergibt automatisch mehr Handelsvolumen. Das Asset Bitcoin ist aber mathematisch mit maximal 21 Millionen Stück begrenzt. Eine höhere Anfrage würde auf ein geringes Angebot treffen. Und beim Bitcoin: Bei den ersten Peaks die er erreicht hat, ist er danach nie wieder zum Ausgangspunkt gekommen. Er ist immer mindestens um das Doppelte oder Dreifache vom Ausgangswert vor diesem raschen starken Anstieg aufgestiegen.
„Den Bitcoin wirst du nie regulieren können“
Heißt das jetzt schlicht, dass der Bitcoin auch in Zukunft ein sicheres Investment ist?
Nun, die Risiken, auch der Totalverlust, sind nach wie vor da. Wie vorhin erwähnt, es ist ein hoch volatiles Investment und wird es auch in naher Zukunft bleiben.
Was müsste denn passieren, dass der Bitcoin Kurs stark zurückfällt?
Da gibt es mehrere Szenarien: eines wäre die Regulierung oder ein Verbot von Bitcoin & Co. oder es passiert ein gezielter Cyberangriff auf Walletprovider oder Mininganbieter. Generell alles, was Unsicherheit bzw. auch eine kurzfristige Instabilität des Netzwerkes zur Folge hat, hätte im ersten Moment stark negative Auswirkung auf den Preis. Den Bitcoin selbst wirst du nie regulieren können, weil es keine Firma oder Einzelperson gibt, die das Netzwerk betreibt oder als Ansprechpartner oder Besitzer dient.
Warum sollte man also weiterhin in Bitcoin investieren?
Wir haben mit dem Bitcoin erstmalig ein Asset, bei dem nicht institutionelle Investoren als erstes eingestiegen sind, wie es in der Vergangenheit eigentlich immer der Fall war, sprich Banken, Versicherungen oder Großkapitalisten. Die ersten die wirklich daran geglaubt haben, waren unter anderem Computerspezialisten, Systemkritiker und die autonome Szene. Dieser Kreis hat sich mit Bitcoin von Anfang an beschäftigt. Für viele, für die das Thema später aufgekommen ist, so wie auch für mich, haben gemerkt, dass es eine Investitionsmöglichkeit ist, die durch reine Mathematik vor Manipulation und unseriösen Akteuren schützt. Das wird hier durch die Blockchain, also durch den Code ersetzt, nach dem Motto: Code is law. Ich kann diesem Netzwerk eigentlich mehr vertrauen als in der realen Wirtschaft den meisten Akteuren. Und das ist der grundlegende Unterschied zu anderen Investitionen. Einer Blockchain würde ich heutzutage mehr vertrauen als einer Europäischen Zentralbank.
Vielen Dank für das Gespräch
Das Interview führte Melanie Raidl