Demelza Hays promoviert an der Universität Liechtenstein zu Kryptowährungen im Vermögensmanagement, ist Redakteurin des Crypto Research Report und Forschungsleiterin des Cointelegraph. Im Interview mit Kryptoszene.de spricht sie über die Auswirkungen des Kryptosystems auf das Fiat-Geldsystem, Bildung und aktuelle Trends in diesem Bereich.

Hallo Frau Hays, was sind die Vorteile von Kryptowährungen im Vergleich zum Fiat-System?

Das Krypto-System ist unabhängig von politischen Notwendigkeiten. Die Inflationsrate ist also fest vorgegeben und kann nicht geändert werden, ohne dass die Nutzer:innen der Währung dafür stimmen. Die Inflationsrate unseres derzeitigen Geldes kann dagegen arbiträr von einer kleinen Gruppe entschieden werden.

Der zweite Vorteil für mich ist die Privatsphäre: Ich kann meine Transaktionen eigenständig durchführen. Beim kontogebundenen Geld dagegen muss die endgültige Abrechnung von einer dritten Instanz genehmigt werden muss, die meine Transaktionen einsehen und sie möglicherweise zensieren kann.

Wäre die Lösung, nur Kryptowährungen zu halten oder sollten zwei Systeme nebeneinander bestehen?

Die Regierung besteht ja aus Leuten wie uns, die genauso unvollkommen sind. Wie der römische Dichter Juvenal sagte: „Wer bewacht die Wächter?“ Sie entscheiden jedoch über Geld und Inflation. Aber ich bin völlig einverstanden damit, zwei Systeme zu haben. Das überlässt es jede:m Einzelnen die Freiheit zu entscheiden, welches System für ihn oder sie in welchem Moment das richtige ist.

„Es wäre großartig, wenn mehr Alterökonomie gelehrt würde“

Wenn Fiat und Krypto lange Sicht nebeneinander her existieren – haben sie dann Auswirkungen aufeinander?

Ja, wenn die Menschen mit ihrem Geld darüber abstimmen, welches Produkt sie kaufen und welches sie verkaufen wollen, und so die zwei Systeme miteinander konkurrieren, werden beide voneinander lernen. Wir werden also digitales Zentralbankgeld mit strengeren Inflationsraten haben und auf der anderen Seite digitale Werte wie Stablecoins, die einige Merkmale des derzeitigen Fiat-Systems haben könnten, wie etwa die Preisstabilität.

Muss sich auch die finanzielle Bildung auf diese Weise ändern, um den Menschen die Möglichkeit zu geben, zu wählen?

Es wäre großartig, wenn mehr Alterökonomie gelehrt würde. Früher war Geld ein harter Rohstoff und jede:r konnte sich einfach auf Landwirtschaft oder Klempnerei spezialisieren und musste nichts über Wirtschaft wissen, weil man einfach etwa Gold unter der Matratze ansparen konnte. Aber heute, wo die Inflation und all die Spielereien der Zentralbanken nur die Reichen reicher machen, muss jede:r einzelne Klempnerin, Zahnärztin und Kindergärtner die Inflation verstehen: Wir müssen den Menschen beibringen, dass sie jedes Mal an Kaufkraft verlieren, wenn sie nur an ihrem Geld festhalten und die Zentralbank druckt.

Ich halte es jedoch für sehr unwahrscheinlich, dass dies breiter gelehrt wird, denn die mächtigsten Zentralbanken der Welt unterstützen alle die Vorstellung, des Trickle-Down-Systems: dass Gelddrucken gut für arme Menschen ist, weil es Unternehmen ermöglicht, Kredite aufzunehmen, ihre Geschäfte zu erweitern und Menschen einzustellen.

Kann man sich anderweitig informieren?

Ja, es gibt viele Ressourcen im Internet, über die man sich selbst informieren kann. Das Mises Institut hat wirklich großartige Ressourcen, PDFs von alten Büchern und kostenlose Online-Kurse. Natürlich gibt es dort auch Punkte, über die man streiten kann, aber nur um einen ersten Ausblick zu bekommen,  ist das ein guter Anfang.

„Für jemanden, der oder die kaum über die Runden kommt, ist die beste Investition die in sich selbst“

Sie promovieren zu Kryptowährungen und Vermögensverwaltung – ist es eine gute Idee, langfristig in Krypto zu investieren, oder aufgrund der Volatilität eher eine Spekulation?

Zunächst ist es wichtig, zwischen reellen Vermögenswerten wie einem Unternehmen oder einer Maschine – etwas Greifbares – und finanziellen Vermögenswerten zu unterscheiden. Der Wert eines finanziellen Vermögenswerts wie einer Aktie basiert auf dem Wert dieses realen Vermögenswerts, z.B. eines Unternehmens, ist also ein Derivat dessen.

Ich selbst investiere einen kleinen Betrag in volatile Kryptowährungen für ein diversifiziertes Portfolio. Sobald man genügend reale Vermögenswerte hat, ist das sinnvoll. Aber für jemanden, der oder die kaum über die Runden kommt, ist die beste Investition die in sich selbst, die Gründung eines eigenen Unternehmens oder die eigene Ausbildung und Qualifikation. Danach kann man in finanzielles Vermögen investieren und dann gerne auch ein wenig in Krypto. Aber es ist immer noch eine sehr spekulative Investition.

Können Sie etwas über die Ergebnisse Ihrer Doktorarbeit sagen?

Ja: Historisch haben wir gesehen, dass Krypto eine zusätzliche Diversifizierung bewirkt hat, weil es eine geringe Korrelation mit traditionellen Anlageklassen hatte. Zusätzlich hat es die Verhältnisse stark verbessert, weil man mit Kryptowährungen eine gute Chance hatte, eine positive Rendite zu erhalten. Das hat die risikobereinigten Renditen der Portfolios erhöht.
Man hatte also verschiedene Vorteile, aber andererseits hat man Liquiditätsprobleme. Die Diversifizierung und ihre Vorteile nehmen ab, weil die Kryptovermögen mehr mit dem Fiat-System korreliert sind.

„Viele der Altcoins verloren 95 % ihres Wertes“

Worauf achten Sie selbst derzeit bei Krypto-Investitionen?

Im Moment bin ich sehr stark in Stablecoins und kaufe nicht aktiv Krypto-Vermögenswerte, weil ich um die Auswirkungen von Corona auf die Wirtschaft besorgt bin. Aber ich werde damit wieder anfangen, sobald wir mehr vom freien Markt über die Auswirkungen der Lockdowns wissen.

Wenn weiterhin Geld gedruckt wird, dann werden die Krypto-Anlagen natürlich weiter steigen. Aber sobald das stoppt, werden wir eine Deflation wie 2008 haben – alle Anlagenpreise werden fallen, und dann wird es wichtig, darüber nachzudenken, warum man im Krypto-System ist. Ist man dabei, um mehr Dollars in der Tasche zu haben oder weil man finanzielle Freiheit und eine Alternative zum gegenwärtigen Währungssystem will? Ich werde immer etwas Geld in Kryptowährungen haben, aber im Moment kaufe ich nicht aktiv mehr.

Was sind (andere) wichtige Trends im Kryptobereich im Moment?

Krypto verhält sich ähnlich wie der Aktienmarkt: Wenn der Aktienmarkt steigt und eine positive Stimmung herrscht, übertreffen die kleineren, riskanteren Aktien die der großen Unternehmen. Wenn jedoch negativere Stimmung herrscht, wird mehr von den großen Unternehmen gekauft.

Genau dasselbe ist während des Abschwungs des Kryptowährungsmarktes 2018 passiert – da haben die großen Kryptowährungen Bitcoin und Ethereum nicht so schlecht abgeschnitten wie die kleinen. Viele der Altcoins verloren aber 95 % ihres Wertes.

In Vorbereitung auf einen Abschwung würde ich jetzt also jetzt auf die großen Münzen setzen. Aber der Abschwung könnte auch von kurzer Dauer sein – das hängt davon ab, wie viel Geld die Zentralbanken drucken. Darauf würde ich achten und mein Portfolio anpassen.

Vielen Dank für das Gespräch

Kryptowährungen sind ein sehr volatiles, unreguliertes Investmentprodukt. Ihr Kapital ist im Risiko.

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Steffen Bösweich

Steffen hat Medien, Politik und Kulturwissenschaft studiert und nebenher bereits erste Erfahrungen im Print-, Radio- und Hörfunkjournalismus gesammelt. Nach seinem Studienabschluss hat er seine Journalistenausbildung in einem Verlag für Wirtschaft & Sport absolviert. Dem Wirtschaftsjournalismus ist er auch bei seinen weiteren Tätigkeiten als Redakteur stets treu geblieben und verfügt inzwischen über mehr als zehn Jahre Berufserfahrung.

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