Kryptoszene.de im Gespräch mit Alfred Strauch, Mediensprecher der Stadt Wien und Initiator des Kultur Tokens, der bereits 2020 eingeführt werden soll.
Die österreichische Hauptstadt arbeitet an einem Blockchain-basierten Pilotprojekt, das als spielerisches Anreizsystem Bürgerinnen und Bürger belohnt, wenn sie Co2-Missionen einsparen. Mittels App soll die Co2-Reduktion als Kultur-Token im dazugehörigen “Wallet” gespeichert und anschließend für Gratis-Tickets in Kultureinrichtungen eingelöst werden.
Alfred Strauch, Mediensprecher der Stadt Wien, brachte die Idee 2018 ins Rollen. Wir haben uns mit ihm über Zukunftszenarien, CO2-Token, gesicherte Wahlsysteme und mögliche Kryptowährungen für die Stadt unterhalten.
Herr Strauch, könnte die Blockchain für die Stadt Wien in Zukunft eine Rolle spielen?
Sie tut es bereits, und zwar in einigen Wiener Pilotprojekten, wie der etwa digitalen Zertifizierung von Dokumenten oder der Vergabe von digitalen Essensmarken. Blockchain-Technologie birgt das Versprechen, die direkte Interaktion zwischen Bürger und Verwaltung zu vereinfachen und zeitgleich zu intensivieren.
Im Optimalfall würde das neue Demokratisierungsprozesse antreiben. Ob dem wirklich so ist, muss getestet werden. Und zwar von der staatlichen Kommune selbst, und nicht von irgendeinem Internet-Startup – wenngleich man auf deren Expertise gut und gerne zurückgreifen soll.
Die Stadt Wien setzt – in Zusammenarbeit mit dem Forschungsinstitut für Kryptoökonomie der WU Wien – mit der “City Token Initiative” auf die Blockchain. Könnten Sie uns mehr über das Projekt erzählen?
Dadurch, dass wir beim Kultur-Token Projekt als Stadtkommune Neuland betreten, haben wir uns von Anfang an für eine wissenschaftliche Begleitung entschieden. Das verzögert vielleicht gewisse Entscheidungsprozesse, wir sind jedoch darauf angewiesen, dass unsere rechtlichen, ethischen aber auch moralischen Grundsätze kontinuierlich auf Versäumnisse überprüft werden.
„Die Token haben keinen Wert, sondern einen Zweck“
Wie werden diese Kultur-Token genau aussehen und was macht sie so besonders?
Ganz einfach: Durch Zufußgehen, Radfahren oder Öffentliche-Verkehrsmittel-Benutzen reduziert man aktiv CO2. Die CO2-Reduktion wird in der elektronischen Wallet als Token gespeichert. Diese wiederum wird man dann für Gratistickets im Bereich Kunst und Kultur eintauschen können.
Die Token haben keinen Wert, sondern einen Zweck. So wie der analoge Plastik-Token das Schloss des Einkaufswagens öffnet, ermöglich der virtuelle Kultur-Token Zugang zu Kunst und Kultur, je nach Geschmack. Das Ganze soll schlicht Laune machen. Und zwar im Sinne eines gemeinschaftlichen Miteinanders.
Was waren ihre bisher größten Meilensteine mit dem Projekt?
Dass ich die Kulturstadträtin überzeugen konnte, den Bürgermeister zu überzeugen, und er ihr schließlich überzeugt versichert hat: „Das mit dem Token, das machen wir.“
Wo sehen die den Wiener Token in fünf Jahren?
Schön, dass Sie schon Wiener Token sagen, denn das ist die Marschrichtung. Irgendwann soll der Wien-Token das Basislager Kultur-Token ablösen und das vielfältige Leben der Stadt zum Mehrwert aller miteinander verbinden.
Wien „niemals“ mit eigener Kryptowährung
Wird Wien dann auch eine eigene Kryptowährung entwickeln?
Niemals.
Würden Sie mir verraten warum?
Die Aufgaben einer Stadtverwaltung sind vielfältigst und herausfordernd. Die Erstellung einer eigenen Währung, ob analog oder digital, gehört definitiv nicht dazu. Aus diesem Grund wird das Design des Kultur-Token auch so angelegt, dass dieses System zu keinem Zeitpunkt in eine Ersatzwährung mutiert werden kann.
Es besteht die Debatte, dass Kryptowährungen unserer Vorstellung einer grünen Zukunft widersprechen, da sie für den starken Ausstoß von CO2 Missionen verantwortlich sind. Wie sehen sie das?
Die Geschichte von Kryptowährungen und Token-Ökonomie ist eine Geschichte voller Missverständnisse. Einfach, weil Unmengen an gefährlichem Halbwissen miteinander vermengt werden. Um Bitcoins zu generieren, brauchen Sie eine hohe Rechenleistung und die ist mit Sicherheit nicht die beste Freundin von Umweltbewusstsein.
Unsere dem Kultur-Token zugrunde liegende Blockchain-Lösung soll jedoch explizit nicht auf „proof-of-work“ aufbauen, welches die bekannten Stromverbräuche mit sich bringt. Stattdessen soll eine kleinere aber sich gegenseitig bekannte Gruppe validieren, was verhältnismäßig niedrige Verbräuche ermöglicht.
„Der Mensch muss in den Mittelpunkt technischer Entwicklung gestellt werden – und nicht umgekehrt“
Welche Rolle werden die großen Technologiekonzerne zukünftig in der Stadt Wien spielen? Ist die vernetzte Smart City nicht auch ein lukratives Modell, um noch mehr Kaufanreize zu generieren?
Es gibt ein europäisches Freiheitsideal, für das viele Menschen lange gekämpft haben. Wenn Datenmelkmaschinen unsere Freiheit bedrohen, dann müssen wir sie abstellen. Datenschutz ist meiner Meinung nach ein Menschenrecht, und Menschrechte werden in Regel immer noch von staatlichen Institutionen garantiert. Da herrscht Aufholbedarf, sicher, aber es erwacht diesbezüglich ein neues Bewusstsein. Und neue Techniken helfen uns dabei, dieses Bewusstsein in konkrete Maßnahmen umzusetzen.
Wir nennen das den digitalen Humanismus: Der Mensch muss in den Mittelpunkt technischer Entwicklung gestellt werden – und nicht umgekehrt. Wer das verstanden hat, macht alles richtig. Zumindest bei uns in Europa.
Die Stadt Wien setzt bereits auf Open Data und E-Government für ihre Bürger. Inwiefern wird die Verwaltung durch die Blockchain verbessert?
Ganz konkret, indem sie gewisse Behördenwege vollkommen überflüssig macht. Das ist erst einmal praktisch. Theoretisch ist jedoch sogar ein Bolckchain-gesichertes Wahlsystem denkbar, und soweit ich weiß, wird mancherorts bereits daran getüftelt. Immerhin ist die Abwicklung freier, geheimer und unmanipulierbarer Wahlen die – Achtung Wortwitz – Königsklasse der demokratischen Amtshandlung.
Vielen Dank für das Gespräch
Das Interview führte Dana Hajek