„Digitalisierung im Zahlungsverkehr und Finanzwesen – Banken und Geld im Umbruch – steigt die Wohlfahrt oder
die Stabilitätsrisiken?“ lautet der sperrige Titel einer Studie, die von der renommierten Hans Böckler Stiftung in Auftrag gegeben wurde. Darin geht der Ökonom Jörg Bibow unter anderem auf die Rolle von Kryptowährungen wie dem Bitcoin für die Finanzbranche ein.
Das Fazit seiner Analyse fällt ziemlich vernichtend aus. Demnach seien Bitcoin, Ethereum & Co. nicht anderes als „sinnlose Spekulationsobjekte, die keinen eigenen Wert aufweisen“. Zudem kritisiert der Wirtschaftsexperte, dass Bitcoin für einen enormen Energieverbrauch verantwortlich sei.
Digitale Zahlmethoden wie Paypal „begrüßenswert“
Dabei hält der Ökonom digitale Technologien, die das traditionelle Geschäft der Banken ergänzen, indem sie den Zahlungsverkehr sicherer, schneller und bequemer machen, grundsätzlich für begrüßenswert. Beispiele hierfür seien Online-Banking, Karten mit kontaktloser Bezahlfunktion oder Online-Bezahldienste wie Paypal.
Um die Stabilität des Finanzsystems nicht zu gefährden, sollen die neuen Anbieter laut Bibow jedoch keine Bank- und Finanzgeschäfte betreiben dürfen, ohne von der Bankenaufsicht erfasst zu werden.
Ökonom gegen Bitcoin-Finanzsystem
Negativ beurteilt der Wirtschaftsexperte hingegen Innovationen wie Bitcoin, die nicht als Ergänzung, sondern als Alternative zu Geldwesen und Zahlungsverkehr in ihrer bestehenden Form gedacht sind. Eine Deckung durch normale Bankeinlagen oder Vermögenswerte gebe es nicht, der Wert sei ausschließlich marktbestimmt.
„Für Bitcoin und andere Kryptowährungen lässt sich als Zahlungsmittel – zumindest für legitime Zwecke – keinerlei Wohlfahrtsgewinn ausmachen.“ Ein Grund dafür seien die extremen Kursschwankungen. Da es nicht möglich ist, die Menge der Bitcoins an die Nachfrage anzupassen, müsse es regelmäßig zu Stockungen im Zahlungsverkehr kommen.
Bibow ist der Ansicht, dass gerade die jüngsten Krisen, wie etwa die Corona-Pandemie den Nutzen einer „elastischen“ Währung bewiesen hätten, abgesichert durch eine handlungsfähige Zentralbank, die Einfluss auf die Geldmenge nehmen und als „letzte Retterin in der Not“ das Finanzsystem in Krisen stabilisieren kann.
Bitcoin als Krisenwährung ungeeignet?
Der Ökonom hält Bitcoin ohne eine zentrale Steuerung hingegen als Krisenwährung für absolut ungeeignet. Auf eine solche zentrale Instanz zu verzichten, bedeute keinen Fortschritt, sondern „einen krassen Rückschritt in
die monetäre Steinzeit“. Auch ökologisch sei Bitcoin „eine Katastrophe“. Als Beispiel führt er den Energieverbrauch an, der beim digitalen Schürfen anfällt. Diese entspreche laut Schätzungen dem Gesamtverbrauch an Energie in der Schweiz.
Zudem hegt Bibow Zweifel an der im Whitepaper von Sathoshi Nakamoto festgelegten Obergrenze von 21 Millionen BTC, die maximal in Umlauf kommen sollen. Dies bringe nur einen stabilen Wert, wenn nicht andere Anbieter „die Zockernachfrage nach Krypto-Spekulationsmaterial“ durch Konkurrenzprodukte befriedigen. Damit zielt er auf die tausenden von Altcoins ab, die deutlich volatiler sind als der BTC-Kurs.
Bitcoin-Absturz könnte Banken und kleine Staaten in Not bringen
Sein Fazit ist, dass Kryptowährungen noch nicht bedeutend genug seien, um eine echte Gefahr für das Finanzsystem darzustellen, heißt es in der Studie. Es schließt jedoch nicht aus, dass Kurseinbrüche einzelne Banken oder kleine Länder in Schwierigkeiten bringen könnten. Deshalb, so Bibow, handele es sich um „ein völlig unnötiges Risiko, das es besser, so gut es geht, zu unterdrücken gilt“.
Der Ökonom fordert die Aufsichtsbehörden in der Konsequenz dazu auf, Handelsbörsen für Kryptowährungen und Schnittstellen mit den Banken streng zu überwachen. Um die Spekulation mit Bitcoin und Co zu unterbinden, brauche es nach seiner Ansicht jedoch internationale Kooperation, die erfahrungsgemäß nur schwer zu erreichen sei.
Kritikpunkte am Bitcoin nicht neu
Grundsätzlich sind die Argumente, die der Ökonom gegen den Bitcoin anführt nicht unerwartet. Kritiker führen immer wieder gerne an, dass Kryptowährungen nur zum Spekulieren da seien und dass sie wegen dem hohen Stromverbrauch extrem umweltschädlich seien.
Selbst unter Bitcoin-Fürsprechern wird der Bitcoin für seine Ökobilanz kritisiert. So hat etwa Tesla-Boss Elon Musk mit diesem Argument begründet, dass der E-Autobauer kurz nach der Einführung Bitcoin wieder als Zahlungsmethode im Tesla-Shop gestoppt hat. Noch wenige Wochen zuvor hatte Musk die Kryptowelt in Euphorie versetzt und für eine Kursexplosion gesorgt, nachdem bekannt wurde, dass Tesla für 1,5 Milliarden Dollar BTC gekauft hat.
Tesla & Bitcoin pic.twitter.com/YSswJmVZhP
— Elon Musk (@elonmusk) May 12, 2021
Kryptomarkt arbeitet an energiesparenden Verfahren
Auch wenn der Stromverbrauch von Bitcoin zweifellos sehr hoch ist, zeigen Studien aber auch, dass die Umwelt durch Bitcoin weit weniger belastet wird als durch Autos oder die Industrie.
Zudem ist Kryptowährung nicht gleich Kryptowährung. Während der Konsensmechanismus „Proof of Work“ als sehr rechen- und energieintensiv gilt, nutzen viele Altcoin bereits andere Validierungsverfahren für Transaktionen in der Blockchain, wie etwa das Proof of Stake, Proof of Authority, oder Proof of Space. Die neue Methoden verbrauchen weit weniger Energie, so dass Kryptowährungen in Zukunft nicht mehr so umweltschädlich sein könnten und den Kritikern ein wichtigen Kritikpunkt nehmen könnten.
Tesla und Co. wollen nicht mit Bitcoin zocken
Auch der Argumentation, dass Bitcoin nur für Zocker da sei, lassen sich gute Gründe entgegenhalten. So ist die im Herbst 2020 eingeleitete Rallye von BTC/USD im Gegensatz zu den vorherigen Bullenzyklen nicht von Spekulanten, sondern vor allem von institutionellen Anlegern getrieben, die Bitcoin als langfristiges Investment betrachten.
Firmen wie Tesla, MicroStrategy oder Square wollen mit dem Bitcoin nicht zocken, sondern ihn als Wertspeicher und Inflationsschutz nutzen.
Auch die Einschätzung, dass Bitcoin keine krisenfeste Währung ist und ein Geldsystem ohne zentrale Instanz nicht zukunftsfähig sei, können gute Gründe entgegengehalten werden.
Bitcoin krisenfester als Dollar?
So hat etwa die amerikanische Regierung während der ersten Hochphase der Corona-Pandemie Billionen von Dollar „gedruckt“. Der M2 Money Stock Index zeigt, dass im Jahr 2020 so viele Dollar in Umlauf gekommen sind, wie noch nie zuvor in der Geschichte des Dollar. Der exponentielle Anstieg spricht eher für ein Währungsinflation als dies beim Bitcoin der Fall ist.
Denn BTC hat durch seine festgelegte maximale Umlaufmenge einen eingebauten Inflationsschutz. Gerade deshalb schätzen Investoren den Bitcoin als begrenzt verfügbares Asset und schichten ihre Dollar in die Kryptowährung um.
Zudem gibt es in der Geschichte des Finanzwesens viele Beispiele dafür, dass ein Geldsystem mit zentralen Instanzen nicht unbedingt eine bessere Krisenabsicherung ist als ein dezentrales Finanzsystem. Zu nennen ist hier etwa die letzte große Finanzkrise. Banken mussten vom Staat aufgefangen werden, weil sie selbst durch riskante Spekulationen an den Abgrund geraten waren.
Insofern könnte das dezentrale Bitcoin-System, dass von allen Nutzern kontrolliert und durch die Funktionsweise der Blockchain-Transaktionen über hohe Sicherheitsstandards verfügt, durchaus eine ernstzunehmende Alternative zum klassischen Bankensystem werden.
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