Bei der Steuerberatung und der Krypto-Branche prallen zwei Welten aufeinander, die verschiedener kaum sein könnten: Diese Erfahrung hat auch Afra Stöhr, Steuerrechtsexpertin bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Goldstein Consulting GmbH, gemacht. Die Kanzlei berät seit Jahrzehnten Startups und weiß, dass sich die Prioritäten von Unternehmern in den ersten Geschäftsjahren häufig auf das operative Geschäft und die Skalierung des Business Models konzentrieren. Steuerthemen stehen in der Gründungsphase erfahrungsgemäß hinten an und werden im schlimmsten Fall erst dann geprüft, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist.
Diese Problematik verschärft sich bei Krypto-Start-Ups. Besonders in der Anfangszeit der Kryptowährungen wurden die möglichen steuerlichen Konsequenzen ausgeblendet. Dies hat verschiedene Ursachen. Zum einen gab es in der ursprünglichen Anfangszeit bei vielen Bitcoin-Enthusiasten eine Grundeinstellung, dass sie sie sich in einer Art unregulierten Parallelwelt befinden und die rechtlichen Rahmenbedingungen für sie quasi nicht gelten würden. Zum anderen ist die steuerrechtliche Einordnung von Krypto-Sachverhalten bis heute nicht abschließend erfolgt und somit wird schnell professionelle Rechtsberatung notwendig.
Rechtliche Grauzonen und Anonymität in der Blockchain
Als Steuerexpertin für die Krypto-Szene kennt sie die verwunderten Gesichter, wenn sie Krypto-Enthusiasten über ihre fiskalischen Verpflichtungen aufklärt. Eine gängige Reaktion war:
„Krypto steht für Anonymität! Das Finanzamt wird nie davon erfahren, ob ich mit Kryptowährungen gehandelt habe.“
Diese tiefenentspannte Haltung ist jedoch selten geworden und immer mehr Marktteilnehmer haben verstanden, dass sie sich nicht im rechtsfreien Raum befinden und auch nicht darauf bauen können, dass die angebliche Anonymität der Blockchain sie vor der Finanzverwaltung schützen wird. Vielmehr gibt es Möglichkeiten zu erfahren, wer hinter den Transaktionen steckt und diese nachzuverfolgen. Bitcoin ist ein pseudonymes System mit einem öffentlichen Transaktionsverzeichnis, durch das jeder Schritt einer Transaktion auf der Blockchain nachvollzogen werden kann. Es ist nicht ohne weiteres erkennbar welches Pseudonym zu welcher realen Person gehört, jedoch sind beispielsweise bei Bitcoin die Vorgängertransaktionen und -adressen sichtbar und folglich kann unter Umständen nachvollzogen werden, wo die Bitcoins herkommen. Diese Anhaltspunkte können ausgewertet werden und somit zu der realen Person oder dem Unternehmen führen. Hinzukommt, dass auch Krypto-Börsen immer seriöser werden und immer häufiger Maßnahmen zur Geldwäscheprävention und Terrorismusfinanzierungsbekämpfung ergreifen. Dazu gehört, dass die Betreiber einer Krypto-Börse sicherstellen müssen, dass sie wissen, wer ihre Kunden sind und dazu KYC-Verfahren durchführen. Somit liegen bei den Börsen die Angaben zu den realen Personen vor und könnten von der Finanzverwaltung angefordert werden, wie es bereits in den USA geschehen ist.
Krypto-Startups: Welche Verpflichtungen Gründer haben – und was sie sich leisten können
Insbesondere für Startups können Steuerthemen eine große Herausforderung sein. War es zu Zeiten des Hypes noch möglich große Summen Geld nur mit einer Idee einzusammeln, hat sich die Situation seit den Kurseinbrüchen verändert. Investoren sind vorsichtiger geworden und prüfen ihre Erfolgsaussichten genauer. Somit sind belastbare Zahlen gefragt, für welche wiederum eine ordentliche Buchführung notwendig ist. Vor allem Krypto-Start-Ups, die attraktiv für institutionelle Investoren sein möchten, müssen sich früh mit Steuerthemen auseinandersetzen und lassen sich von entsprechenden Experten beraten. Die Anzahl an Steuerberatern, die sich mit Kryptowährungen beschäftigen und nicht davor scheuen sich so intensiv mit der Technologie auseinanderzusetzen, dass sie die Sachverhalte durchleuchten und steuerlich würdigen können, steigt stetig an. Jedoch führt nicht nur der Einsatz der Technologie schnell zu komplexen Steuerfragen, sondern auch der Umstand, dass es im Zusammenhang mit Kryptowährungen schnell zu grenzüberschreitenden Sachverhalten kommt.
Stöhr: „Im Idealfall sollte der Steuerexperte zu Rate gezogen werden, bevor die Bitcoin-Millionen hin und hergeschoben werden, aber das ist wohl das Wunschdenken eines Steuerberaters. In der Realität wird der Steuerberater oft erst befragt, wenn die Millionen futsch sind.“
Die Notwendigkeit professioneller Steuerberatung lässt sich anhand eines fiktiven Beispiels veranschaulichen: Max und Gustav sind durch den rasanten Anstiegs des Bitcoin-Kurses im Jahr 2017 zu Geld gekommen. Die beiden haben ihre Vollzeitjobs gekündigt und ein Startup gegründet. Das Geschäftsmodell: E-Roller, die falsch geparkt werden, können von Privatpersonen identifiziert und anschließend korrekt abgestellt werden. Für die Ortung dieser Roller entwickeln Max und Gustav eine App. Über diese können Personen die Roller finden und werden für das ordentliche Umstellen mit einer kleinen Vergütung in Bitcoin entlohnt. So reduzieren sie die Kosten für die großen E-Roller-Anbieter, die sonst teils lange Umwege fahren müssten, um die einzeln falsch abgestellten Roller wieder einzusammeln.
Max und Gustav richten für das Projekt eine Telegram-Gruppe ein und machen dort nach kurzer Zeit die Bekanntschaft mit zwei Investoren, denen ihre Geschäftsidee gefällt und die ihnen eine Kapitalspritze in Form von 2 Millionen Euro in Bitcoin anbieten. Nach einer kurzen Verhandlungsphase einigen sich beide Parteien und der Deal kommt zustande. Max und Gustav bekommen ihre 2 Millionen in Bitcoin, ohne zu wissen, wer hinter ihrer Finanzierung steht.
Von nun an kommt Fahrt in das schnell wachsende Unternehmen, das neue Mitarbeiter einstellt und diese in Bitcoin bezahlt. Ihren beiden Investoren zahlen Max und Gustav regelmäßige Zinsen auf die investierte Summe – ebenfalls in Bitcoin. Gewinne macht das Startup zwar noch nicht, was aufgrund der finanziellen Unterstützung und der positiven Aussichten jedoch keinen Anlass zur Sorge gibt. Doch dann endet das erste Geschäftsjahr. Max und Gustav fällt auf, dass sie eine Steuererklärung einreichen sollten. Eine erste Recherche liefert viele irritierende Antworten, darunter:
„Krypto ist ein unregulierter Markt. Da müssen keine Steuern gezahlt werden!“
Diese Einstellung resultiert aus der anarchischen Anfangszeit von Kryptowährungen, in Kombination mit der aktuellen Rechtsunsicherheit, die teilweise im Zusammenhang mit dem Einsatz von Kryptowährungen gilt. Dennoch gibt es rechtliche Rahmenbedingungen, die berücksichtigt werden müssen. Dass dies unter Umständen eine Herausforderung sein kann, weiß Stöhr: „Junge Unternehmen mit innovativen Ideen konzentrieren sich auf die operative Umsetzung ihres Geschäftsmodells. Voller Tatendrang liegen die Prioritäten zunächst wo anders und die Erstellung einer Buchhaltung steht nicht an erster Stelle. Spätestens wenn institutionelle Investoren einsteigen möchten oder eine Jahresabschlussprüfung ansteht, müssen die Zahlen jedoch belastbar sein. Je nachdem muss dann erstmal aufgeräumt werden.“
Zahlung von Bitcoin-Gehältern in Deutschland unzulässig
Max und Gustav suchen einen auf Krypto spezialisierten Steuerberater auf und müssen schnell einsehen, dass sie ein paar Dinge anders machen müssen. So können sie ihre Mitarbeiter nicht ausschließlich in Bitcoin bezahlen. Die Krux liegt für Max und Gustav in der Gesetzeslage begründet, denn: In Deutschland ansässige Unternehmen sind verpflichtet, mindestens das Grundgehalt ihrer Mitarbeiter in Euro zu überweisen. Die reine Zahlung in Bitcoin oder anderen Kryptowährungen hingegen ist unzulässig. Max und Gustav erfahren, dass auch die Investoren namentlich identifizierbar sein müssen, da dies allein aufgrund der Prävention von Geldwäsche vorausgesetzt wird – ganz unabhängig davon, ob die Summe in Euro oder Bitcoin überwiesen wird. Immerhin können sie die Zinsen weiterhin in Bitcoin zahlen. Letztlich wird besprochen welche zusätzliche Dokumentation notwendig ist, wenn weitere geschäftliche Transaktionen in Bitcoin erfolgen.
Nachdem sie die Informationen erhalten haben, rauchen beiden Gründern die Köpfe. Hätte es sich eventuell gelohnt, das Unternehmen auf Malta anzumelden, wo die Gesetzeslage bezüglich Krypto deutlich entspannter erscheint? Jedoch möchten sie von institutionellen Investoren ernstgenommen werden und bleiben dabei ihre Idee hierzulande zu verwirklichen. Als Konsequenz müssen die Mitarbeiter in Euro bezahlt werden und die Lohnabrechnungen ordnungsgemäß erstellt werden. Dass sie weiterhin einen Bonus in Bitcoin auszahlen, stellt kein Problem dar. Jedoch muss auch dieser in die Lohnabrechnung integriert werden. In enger Zusammenarbeit mit dem Steuerberater wird die Vergangenheit aufgeräumt und eine laufende Buchhaltung erstellt. Mit der Zeit lernen die beiden Gründer die Vorzüge einer ordnungsgemäßen Buchhaltung zu schätzen und die Zahlen in den Büchern zu verstehen. Das Startup wächst gesund weiter und erhält eines Tages ein Kaufangebot. Die Due Diligence verläuft mehr oder weniger reibungslos und führt zu einer Bewertung in Höhe von 10 Millionen Euro. Max und Gustav können es kaum fassen, aber der Verkauf findet statt und die beiden Gründer gönnen sich eine Weltreise um dann zeitnah das nächste Startup zu gründen.