Kim Felix Fomm ist Chief Investment Officer beim ETF-Spezialisten Raisin. Im Gespräch mit Kryptoszene.de gibt er eine Einschätzung zu nachhaltigen Geldanlagen, ihren unterschätzten Renditemöglichkeiten und warum man lieber nicht in den Bitcoin investieren sollte.
Hallo Kim, Solar aufs Dach, vegan aufs Brot und Wasserstoff in den Tank: das Thema Nachhaltigkeit wird in unserem Leben immer wichtiger. Inwiefern gilt das auch für Investments?
Nachhaltigkeit ist zum einen ein übergreifender Trend, der viele Bereiche des persönlichen Lebens erfasst, dazu gehört auch das Investitionsverhalten. Zum anderen ist Nachhaltigkeit aber auch ein individuelles Thema. Menschen haben ganz unterschiedliche Vorstellungen und Ansprüche davon, was nachhaltig ist.
Aus meiner Sicht gibt es bei der Geldanlage kein Schwarz-weiß zwischen konventionellen und nachhaltigen Angeboten, sondern legitime Motive für beide Varianten. Ein gutes Beispiel dafür ist die Energiewirtschaft: Die Energiewende ist nur gelungen, weil enormes Kapital in diesen Bereich geflossen ist. Anlegergelder können dabei bewusst in neue Technologien fließen, aber beispielsweise auch in einen konventionellen Energieerzeuger investiert werden, damit dieser sich transformieren und nachhaltig aufstellen kann – oder es fließen eben gar keine Investitionen, mit der Folge, dass Unternehmen weiter mit Kohlestrom wirtschaften.
„Unter den 18- bis 29-Jährigen in Deutschland möchten knapp 29 Prozent ihr Geld nachhaltig anlegen“
Ich zitiere eure jüngste Studie: „Jeder fünfte Deutsche (20,7 Prozent) kennt keine nachhaltigen Finanzprodukte“. Warum ist das so? Hat die Finanzwelt hier etwa einen Trend verpasst?
Das würde ich so nicht sagen, allerdings sind die sehr unterschiedlichen nachhaltigen Geldanlagen für Endkonsumenten oft schwer zu verstehen. Ich sehe aus diesem Grund Bedarf für transparente und einfach verständliche Angebote verbunden mit Aufklärung sowie mehr Finanzbildung im Bereich nachhaltiger Investments. Anders als zum Beispiel Energie- oder Mobilitätsanbieter sind Finanzdienstleister in dieser Hinsicht noch weniger präsent.
Unsere eigene Studie zeigt übrigens auch, dass der Wunsch nach Nachhaltigkeit bei der Geldanlage mit dem Alter zusammenhängt: Unter den 18- bis 29-Jährigen in Deutschland möchten knapp 29 Prozent ihr Geld nachhaltig anlegen, das sind doppelt so viele wie in der Gesamtbevölkerung. Jüngere Zielgruppen mit überzeugenden Produkten zu erreichen, in die sie zum Beispiel per Sparplan regelmäßig schon kleinere Summen einzahlen können, halte ich für wichtig.
Eine andere interessante Erkenntnis: Nur jedem Zehnten sind Nachhaltigkeit wichtiger als Renditen. Inwiefern lassen sich diese beiden Themen vereinen?
Dass Investments rentabel sind, hat für Anlegerinnen und Anleger naturgemäß einen hohen Stellenwert und viele haben Angst davor, dass sie bei nachhaltigen Anlagen auf Rendite verzichten müssen. Diese Abwägung zwischen Rendite oder Nachhaltigkeit muss aber gar nicht sein, denn es geht beides: wissenschaftliche Studien, zum Beispiel von dem Analyseunternehmen Morningstar, zeigen sogar eine bessere Entwicklung von nachhaltigen Indizes über die letzten Jahre und insbesondere in der Corona-Krise.
Das Vorurteil, dass Nachhaltigkeit zwangsläufig Abstriche bei der Rendite bedeutet, hält sich trotzdem hartnäckig. Das hat aus meiner Sicht auch damit zu tun, dass viele nachhaltige Finanzprodukte verhältnismäßig teuer sind und nur unterdurchschnittlich performen. Aktive nachhaltige Fonds kosten bis zu 2,6 Prozent Gebühren pro Jahr – mehr als das Zehnfache von guten nachhaltigen ETFs. Diese breit diversifizierten ETFs sind die kostengünstigere und bessere Alternative. Unser ETF-Configurator zum Beispiel mit einem nachhaltigen ETF-Startportfolio kostet im Jahr 0,43 Prozent zuzüglich Fondskosten und gehört damit zu den günstigsten Angeboten am Markt.
„Wer auf nachhaltige, grüne Investments Wert legt, sollte nicht in Bitcoin investieren“
Du sprichst euer Angebot an nachhaltigen ETFs an. Inwieweit darf man sicher sein, dass da nicht doch ein Ölproduzent mit im Portfolio versteckt ist?
Wir stellen unseren Kundinnen und Kunden mehr als 30 nachhaltige ETFs zur Auswahl und weisen die Titel entsprechend aus. Für die Einstufung nutzen wir den Industriestandard ESG der Vereinten Nationen. ESG ist die Abkürzung für Environmental, Social und Governance, dahinter steht ein weit gefasster Nachhaltigkeitsbegriff, der neben Umweltaspekten auch soziale und ethische Faktoren wie gute Unternehmensführung oder Steuertransparenz berücksichtigt. Die Titelauswahl von ETFs erfolgt nach einem strikten zweistufigen Prinzip.
Wertebasiert und kategorisch werden im ersten Schritt Unternehmen mit den Geschäftsfeldern Alkohol, Atomkraft, Gentechnik, Glücksspiel, Kohle- und Ölförderung, Pornografie, Tabak und Waffen ausgeschlossen. Im Anschluss erfolgt ein Rating anhand von insgesamt 37 definierten ESG-Kriterien, nur Unternehmen die gut oder sehr gut abschneiden, landen in den Fonds. Dieses strikte Verfahren stellt Nachhaltigkeit sicher und gibt Verbraucherinnen und Verbrauchern einen einfachen und transparenten Überblick sowie Orientierung.
Hast du einen Rat an interessierte Anleger, die möglichst „grün“ investieren möchten? Worauf sollte man achten?
Wer auf nachhaltige, grüne Investments Wert legt, sollte nicht in Bitcoin investieren. Unter den Coins ist sie eine der umweltschädlichsten mit einem wenig energieeffizienten Mining. Auf den traditionellen Bereich bezogen: Jede und jeder sollte für sich selbst entscheiden, was bei der Geldanlage wichtig ist. Der erwähnte ESG-Standard bietet eine zuverlässige Orientierung für nachhaltige Investitionen.
Wer nachhaltig investieren möchte, kann gezielt nach Finanzanbietern oder konkreten Produkten schauen, die die ESG-Kriterien als Maßstab nutzen. Trotzdem empfehle ich Anlegerinnen und Anlegern Angebote vor allem auf die Kostenstruktur hin überprüfen und sichergehen, dass keine versteckten Kosten enthalten sind, damit die Investition ihren Zweck zum Vermögensaufbau erfüllt. Aktiv gemanagte nachhaltige Fonds sind meist mit hohen Kosten verbunden. Auch von kontinuierlichem Trading mit nachhaltigen Anlageprodukten würde ich abraten, stattdessen ermöglichen langfristige Investitionen in breit gestreute ETFs höhere Renditechancen.
Was ist deine Prognose für die Zukunft nachhaltiger Investments? Ist das eher eine Momentaufnahme oder werden sich Angebot und Nachfrage weiter nach oben schaukeln?
Wie unsere eigene und andere Studien zeigen, ist die Nachfrage definitiv vorhanden. Aus meiner Sicht sind nachhaltige Finanzprodukte ein Wachstumsmarkt, der sich in den nächsten Jahren weiterentwickeln wird. Selbst von staatlicher Seite gibt es Interesse und Maßnahmen, um das Thema voranzutreiben. Ich glaube, dass die Möglichkeiten für nachhaltige Investitionen auch über andere Assetklassen hinweg zunehmen werden. Nachhaltige Anlagen werden konventionelle Angebote aber nicht verdrängen, sondern ergänzen. Letztendlich bedeutet das für die Menschen mehr Wahlfreiheit.
Zum Abschluss noch eine Frage zu Raisin: Was für Neuigkeiten dürfen wir demnächst erwarten oder welche neuen Pläne für Expansion oder Angebote gibt es?
Ende Juni sind wir mit unserem bisherigen Wettbewerber Deposit Solutions fusioniert zu Raisin DS, mit mehr als 550.000 Kunden und rund 400 Partnern. Als Raisin DS können wir Verbrauchern und Banken in Europa und den USA eine noch größere Auswahl an Spar- und Investmentprodukten anbieten. Im Fokus steht für uns in den nächsten Wochen und Monaten, dass wir als ein Team zusammenwachsen.
Für die Zukunft plant Raisin DS, weiter in seine Plattformen zu investieren, die Produktpalette zu erweitern und in weitere Märkte zu expandieren. Für unsere Investmentsparte Raisin Invest ist auch etwas Konkretes geplant: Wir werden unser Angebot um thematische Investments erweitern, über die Anlegerinnen und Anleger mit ETFs in bestimmte Branchen und Trendthemen investieren können.
Vielen Dank für das Gespräch
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