Anita Posch ist Krypto-Expertin, Wissensvermittlerin und Autorin des Buchs „Bitcoin & Co. In 3 Schritten zur finanziellen Freiheit“. Im Interview mit Kryptoszene spricht sie über den Nutzen von Bitcoin als Zahlungsmittel und Investition, die Zukunft der Kryptowährungen und mögliche Chancen in Afrika.
Hallo Frau Posch, Tokens wie Bitcoin werden sowohl als Kryptogeld, Währungen als auch als Investments bezeichnet. Was genau sind sie nun?
(Lacht) Eigentlich sind sie alles. Das ist ja das Verwirrende an Bitcoin für viele – dass er so vieles gleichzeitig sein kann. Es ist natürlich in unseren Breitengraden noch mehr ein Spekulationsobjekt, also wird es wie digitales Gold gesehen. Mehr und mehr Leute entdecken, dass man sich so vielleicht auch absichern kann, gerade jetzt in der Krise. Es ist aber genauso gut Geld, das man zwischen einzelnen Personen oder Firmen ohne Intermediäre austauschen kann.
Wie viele Kryptowährungen gibt es mittlerweile?
Das letzte Mal als ich nachgesehen habe, waren wir glaube ich bei 2500 digitalen Währungen. Das ist einfach dadurch möglich, dass Bitcoin eine Open-Source-Technologie ist, die jedermann oder jede Frau kopieren kann. Bei kleineren Coins fehlt aber dann der Netzwerk-Effekt. Den hat Bitcoin als größte digitale Währung mit etwa 65 % am gesamten Markt. Man sieht ja auch immer: wenn Bitcoin steigt, steigen Altcoins und wenn Bitcoin fällt, fallen die Altcoins auch.
Warum haben Sie sich auf Bitcoin spezialisiert?
Es ist die am längsten laufende Kryptowährung und sie wurde noch nie gehackt, was man von anderen nicht behaupten kann. Weil es auch niemanden und keine Firma gibt, die dahintersteht. Es ist als Graswurzelbewegung aus der Bevölkerung entstanden. Aus dem Willen, ein Geldmittel zu haben, das eine Alternative zu den Finanzmärkten und das Zentralbank-System bietet. Ich glaube, dass diese Alternative heute mehr denn je notwendig ist.
„Bitcoin ist nichts, wenn du schnell Geld verdienen willst“
Vor einigen Jahren wurde Bitcoin sehr gehyped. Große Hoffnungen wurden in die Kryptowährung gesteckt. Ging es letzten Endes aber nicht vor allem um das schnelle Geld?
Ja. Also im deutschen Raum und auch international war vor allem ein Hype in diese Richtung zu beobachten. Da haben viele Leute Geld verloren. Ich weiß aus Afrika zum Beispiel, dass die Leute kein Vertrauen in Kryptowährungen haben, weil es so viele Scams gegeben hat. Dort ist eben sehr viel Ausbildung und Wissensenverbreitung notwendig. Bitcoin ist nichts, wenn du schnell Geld verdienen willst, sondern etwas Langfristiges. Am besten ist es, wenn man auch hinter der Idee steht. Man darf natürlich auch spekulieren, es ist schließlich ein freier Markt. Aber die Hoffnung, jetzt binnen eines halben Jahres wahnsinnig viel Geld zu machen, ist meiner Meinung nach sehr kurzfristig.
Lohnt sich die Investition in Bitcoins trotzdem?
Was sich auf alle Fälle lohnt, ist die Investition in dieses Wissen. Also sich schlau zu machen – was ist das eigentlich, was kann das? Wo sind die Unterschiede? Bevor man sich da hineinstürzt und sagt man wolle das gerne als Investition oder Sicherheit. Man sollte sich grundlegend beraten lassen oder sich selbst einlesen. Langfristig gesehen wird Bitcoin ein hartes Geld werden. Dass es bald wie unser Bargeld sein kann, ist für mich das Wesentliche an Bitcoin. So wird es Milliarden Menschen möglich sein, durch Bitcoin wirtschaftlich tätig zu sein, sparen zu können und in irgendeiner Form auch Bargeld zu besitzen.
Welche dieser Erwartungen haben sich denn bislang erfüllt?
Die meisten Erwartungen von den Leuten, die 2017 Bitcoin gekauft haben, haben sich wohl nicht erfüllt, denn sie waren sehr kurzfristig auf das schnelle Geld aus. Der wesentliche Unterschied von damals zu heute ist, dass es damals nur die Basis-Blockchain gab. Damals war durch den Hype ja quasi Stau und die Transaktionsgebühren waren sehr hoch. Das hat sich jetzt alles insofern verändert, da es jetzt auch das Lighnting-Netzwerk und andere Sidechains oder Second-Layer-Technologien gibt, die die Blockchain entlasten.
Es gibt auch viele Nachahmer, die vorgeben, den schnelleren Bitcoin zu haben, der weniger Energie verbrauche. Aber so wirklich hat noch niemand die durchschlagende, tolle neue Lösung und ich glaube, das wird auch schwierig.
„Für mich ist Bitcoin auch ein Zeichen“
Erklären Sie unseren Lesern, was das Lightning-Netzwerk eigentlich ist?
Im Internet gibt es verschiedene Protokolle und die Blockchain ist quasi auf Ebene eins des Protokolls. Auf der zweiten Ebene gibt es dann das Lightning Protokoll, in dem viel mehr Zahlungen möglich sind, als auf der Blockchain selbst. Dort haben wir ja alle zehn Minuten einen neuen Block mit einer Beschränkung der Blockgröße, in die nur eine gewisse Anzahl an Transaktionen passen. Wenn jetzt alle Leute weltweit plötzlich Bitcoin nutzen wollen, führt das unweigerlich wieder zum Stau wie 2017.
Mit dem Lightning-Netzwerk wird das eben verbessert. Dort ist nur die erste und die letzte Zahlung an Blockchain gebunden. Alle Zahlungen innerhalb des Netzwerkes selbst müssen nicht direkt auf der Blockchain verknüpft werden. Dadurch werden auch die Gebühren für Lightning-Zahlungen wesentlich niedriger sein als die auf der Blockchain.
Das Lightning-Netzwerk ermöglicht Kleinstzahlungen. Das ist sehr wesentlich, weil alle Menschen, die sehr arm sind, Blockchain niemals nutzen könnten, wenn allein die Transaktionsgebühren schon relativ hoch sind. Für die wird das Lightning-Netzwerk die Möglichkeit sein, Bitcoin zu nutzen. Außerdem ist damit besserer Schutz der Privatsphäre gegeben.
Sie sprechen die Netzwerk-Zahlungen an. Welche Rolle übernehmen Kryptowährungen derzeit im Zahlungsverkehr?
Mittlerweile gibt es schon viele Leute, die der Bitcoin als Thema zwar nicht zwingend interessiert, die ihn aber dazu verwenden, internationale Zahlungen zu tätigen, da so die Transaktionskosten weit geringer sind. Wenn ich Transaktionen, die in Euro Milliarden- oder Millionenbeträge sind, für fünf Euro von Europa nach Asien senden kann, dann werde ich das dazu nutzen. Als Privatperson sieht man noch nicht so viele Händler die Bitcoin annehmen, doch es werden mehr.
Hier ist es auch wichtig, dass die Nutzerfreundlichkeit besser wird, sodass mehr Leuten klar ist, wie man die privaten Schlüssel am besten aufbewahrt. Mit BTCPay Server gibt es schon eine wunderbare Lösung, um quasi über den Webshop direkt Bitcoins zu bekommen. Ich brauche also zum Beispiel Wirecard nicht mehr.
Können Sie sich vorstellen, dass traditionelle Währungen durch Bitcoin ersetzt werden?
Ich kann mir nicht vorstellen, dass das in unserer Lebenszeit passieren wird. Ich glaube, dass die Nationalstaaten sehr rasch mit digitalem Zentralbankgeld rauskommen werden. Das Fiat-System wird natürlich weiter bestehen – das gibt es ja schon seit 1971, als der Goldstandard abgeschafft worden ist. Gesund ist das aber nicht.
Ich finde es gut, dass es eine Alternative gibt – für mich ist Bitcoin auch ein Zeichen: Ich zeige damit, dass ich mit der Art und Weise, wie Wirtschaft und Politik weltweit betrieben wird, nicht ganz einverstanden bin. Das Fiat-System basiert auf Schulden, die ja irgendwie wieder hereingewirtschaftet werden müssen. Dadurch werden alle Ressourcen der Erde dafür ausgenutzt, um Geld zu machen. Da ist es gut, wenn es eine Alternative wie Bitcoin gibt, die langfristig Wert behält oder vielleicht sogar gewinnt und nicht so inflationär ist.
Die Preisbildung wird auch regional werden: Wenn ich dann in einem afrikanischen Land bin, dann kostet halt ein Stück Brot weniger Satoshis als in Europa Aber natürlich werten wir es immer noch in Euros oder US-Dollar, weil wir immer noch einen Bezug brauchen. Das ist ein bisschen so, als wir mit der Umstellung zum Euro erst noch in unsere Nationalwährungen umgerechnet haben.
„Afrika wird der Krypto-Kontinent des nächsten Jahrzehnts“
Spielen Bitcoin in Afrika eine besonders starke Rolle?
Ja, er ist extrem wichtig für Leute dort! Einerseits haben sie dort kaum etwas, werden ausgebeutet und müssen durch Kapitalverkehrskontrollen bei der Zentralbank um Erlaubnis bitten, ob sie etwas importieren oder Zahlungen ins Ausland senden dürfen. Das ist wahnsinnig kompliziert, kostet viel Geld, behindert natürlich alle total und das gesamte Wirtschaftssystem leidet.
Andererseits schicken auch Verwandte im Ausland Geld nach Afrika. Bis jetzt ging das alles über Western Union, oder andere Finanzdienstleister. Das hat ein paar Tage gedauert und kostete 20 bis 30 % Transaktionsgebühren. Jetzt ist das anders möglich: Die Leute bitten ihre Verwandten zum Beispiel in den USA ihnen einen Amazon-Wertgutschein zu senden. Die senden dann den Code von dem Amazon-Wertgutschein nach Nigeria, der Mensch in Nigeria stellt das auf einen Bitcoin-Marketplace wie Paxful als Anzeige. Dann kauft jemand den Wertgutschein, der oder die Verkäufer:in bekommt Bitcoin und entweder kann er oder sie es sich leisten, das aufzuheben, oder es wird in die Landeswährung umgetauscht.
Ein nigerianischer Bitcoin-Core-Entwickler hat mir erzählt, dass afrikanische Währungen im Durchschnitt innerhalb von fünf Jahren 50 % ihres Werts verlieren. Natürlich wollen die Währungen haben, in denen der Wert gesichert ist. Wenn meine Landeswährung so viel verliert, dann bin ich froh um Bitcoin.
Also geht es da vor allem um internationalen Zahlungsverkehr?
Ja und auch um überhaupt die Möglichkeit, Geld zu besitzen. Zwei oder drei Milliarden Menschen weltweit haben keinen Zugang zum Banksystem – sie bekommen kein Konto, weil sie zu wenig Geld haben oder irgendwo wohnen, wo einfach keine Bank ist.
Ist der Zugang zum Internet mittlerweile einfacher als der zu einer Bank?
Natürlich ist auch das nicht überall gegeben, aber in vielen afrikanischen Ländern gibt es Internet, das genauso verfügbar ist wie bei uns. Die Leute können sich eigentlich meistens keinen Internetzugang leisten, haben aber Smartphones. Dafür gibt es günstigere Internetpakete, die zum Beispiel nur für WhatsApp nutzbar sind. Insofern ist es schon schwierig, im Moment an Bitcoin-Wallets zu kommen, aber an Lösungen wird gearbeitet: Für Telegram gibt es schon einen Bot, worüber man Lightning-Zahlungen senden kann. Ich habe von vielen Seiten gehört, dass Afrika der Krypto-Kontinent des nächsten Jahrzehnts sein wird.