Ulrich Gallersdörfer ist Forscher an der Fakultät für Informatik der TU München und Co-Autor einer Umweltbilanz zu Bitcoin, die 2019 weltweit für viel Furore sorgte. Im Interview mit Kryptoszene.de spricht er über diese Forschung, den ökologischen Fußabdruck von Bitcoin und wie und ob dieser kleiner werden kann.

Hallo Herr Gallersdörfer, mit Ihrer Umweltbilanz zu Bitcoin vor einem Jahr haben Sie dessen ökologischen Fußabdruck sehr deutlich aufgezeigt– die Digitalwährung produziert so viel Co2 wie ganze Nationen. War das überhaupt ein überraschendes Ergebnis?

Wir waren jetzt nicht die Ersten, die eine Schätzung dafür abgegeben haben, wie hoch der Energieverbrauch ist, insofern war das nicht überraschend. Wir waren aber sehr erfreut, dass wir es deutlich präziser berechnen konnten, als andere.

Sind alle Kryptowährungen solche Umweltsünder?

Es gibt natürlich Währungen, die mehr verbrauchen und welche, die weniger verbrauchen. Im Vergleich zu den Währungen, die weniger verbrauchen, haben aber soziale Netzwerke oder andere Anwendungen einen durchaus vergleichbaren Energieverbrauch. Grundsätzlich sind die Kryptowährungen in ihrem Energieverbrauch aufgrund ihres zugrundeliegenden Konsensmechanismus unterschiedlich. Die Mechanismen, wie z.B. Proof-of-Work oder Proof-of-Stake, entscheiden, wie wir in diesen Netzwerken einen Konsens finden und führen eben dazu, dass da ein unterschiedlicher Energiebedarf entsteht.

Es ist also schon die zugrundeliegende Technologie, die sehr viel Energie verbraucht?

Genau. Bei dem grundlegenden Teil gibt es mehrere Möglichkeiten und das eine ist eben diese Proof-of-Work-Methodik, die quasi als seltene Ressource Rechenleistung in diesem Netzwerk verwendet. Es gibt aber auch andere Ansätze, die nicht Rechenleistung verwenden, sondern zum Beispiel auch den Stake – also die finanziellen Mittel, die innerhalb eines Netzwerkes existieren und als seltene Ressource eingesetzt werden können. Aber der Proof-of-Stake hat auch Nachteile. Der Proof-of-Work Ansatz zum Beispiel erlaubt es dem Netzwerk beizutreten, ohne dass man zuvor mit einem anderen Akteur in diesem Netzwerk interagiert hat. Damit kann ich mir einfach einen Rechner kaufen und direkt an dem Netzwerk partizipieren und meine Bitcoins selbst schürfen, also quasi Wertschöpfung betreiben. In einem Netzwerk, das den Proof-of-Stake-Algorithmus benutzt, kann ich das nicht machen. Dann muss ich erst irgendwo hingehen, dort diese Währung kaufen, um an diesem neuartigen Konsensmechanismus teilzunehmen.

„Grundsätzlich liegt der Fokus von Mining-Aktivitäten in China.“

Was konkret macht den ökologischen Fußabdruck bei Bitcoin so groß?

Der Anreizmechanismus, der natürlich in Bitcoin liegt. Also, dass Rechenleistung, die diesen Proof-of-Work-Algorithmus ausführt, durch den Mining-Reward bezahlt wird. Das sind professionelle Firmen, die dies durchführen und die Hardware bereitstellen, was natürlich viel Energie an der Stelle verbraucht, aber auch zu einer großen Sicherheit führt. Das Bitcoin-Netzwerk lebt davon, dass die Möglichkeit, das Netzwerk zu übernehmen, sehr teuer ist. Diese Sicherheit stellen natürlich die Miner bereit.

Und der ökologische Fußabdruck hängt natürlich auch davon ab, wie die Energie zur Verfügung gestellt wird. Wenn das zu großen Teilen auf fossilen Energieträgern basiert, führt das natürlich zu einer entsprechenden CO2-Intensität.

Also wenn grüne Energie genutzt würde, wäre das nicht so ein Problem?

Genau, also wenn man jetzt ein Geothermalkraftwerk aus Island hat, dass rein aus der Erdwärme seine Energie bezieht und nur diese Energie nutzen würde, um Bitcoins zu minen, dann wäre das an sich ohne Nachteile für die Umwelt. Was man aber hier nicht vergessen darf, ist, dass wenn ich jetzt sage, ich nehme aus dem Netz von Island alle grüne Energie und nutze das für andere Zwecke, dann wird natürlich dieser andere Energieverbrauch in fossile Brennstoffe getrieben.

Wie konkret sind Sie bei ihrer Forschung vorgegangen, um den CO2-Ausstoß zu berechnen?

Der Transfer vom Energieverbrauch auf den CO2-Ausstoß hängt natürlich sehr stark mit dem Energiemix zusammen. Das heißt, wo sitzen die Miner und aus welchen Quellen ist der Strom, der da verbraucht wird?

Wir haben verschiedene Methoden genutzt, um die Miner auf der Weltkarte zu lokalisieren und das in einen CO2-Ausstoß zu übersetzen. Wenn man das im Zusammenhang zeigt und sieht, das Bitcoin-Netzwerk emittiert so viel CO2 wie Las Vegas oder ganze Staaten, dann ist das natürlich schon für viele überraschend.

Wo sind die Miner hauptsächlich lokalisiert?

Grundsätzlich liegt der Fokus von Mining-Aktivitäten in China. Das hängt natürlich von der Methodik ab, aber in unserer Untersuchung haben wir mittels einer Methode 68 % asiatische, 17 % europäische und 15 % nordamerikanische Rechenleistung im Netzwerk nachgewiesen.

„Es würde in der Community keinen Anklang finden, wenn man das ändern wollen würde.“

Kann man die Existenz von Bitcoin bei diesem CO2-Ausstoß überhaupt noch verantworten?

Ich sehe es so, dass die Kryptowährung an sich nicht das Problem ist. Das ist dasselbe für alle stromintensiven Prozesse, gilt also auch für Streaming, generell Rechenzentren oder allein eine Google-Suche. Bei diesen stromintensiven Prozessen kann jede:r für sich einschätzen, wie sinnhaft sie sind. Wenn die dafür gebrauchte Energie sauber ist, dann ist der Schaden nicht da. Wenn der Schaden durch den Ausstoß mit eingepreist wäre, dann würde man solche Probleme wahrscheinlich auch lösen können.

Also ist auch das Bitcoin-Mining an sich nicht das Problem?

Genau. Wenn es anders ginge, dann wäre das schön. Aber insbesondere für Bitcoin ist da keine andere Möglichkeit in Sicht.

Natürlich gibt es Leute, die sich mit dem der Frage „Wie kann man Bitcoin ändern, um nicht diesen Energieverbrauch zu haben“ beschäftigen. Das Problem ist aber, dass das ein hochgradig dezentrales System ist, sprich, es gibt da keine Leitfigur, die das entscheidet, sondern es muss ein Konsens gefunden, werden, wie sich die Technologie weiterentwickelt. Da gibt es natürlich die Miner, also die Firmen, die in gewisser Weise dieses Netzwerk betreiben, die ein Interesse daran haben, dieses Geschäftsmodell zu erhalten.

Auch in der Community würde es keinen großen Anklang finden, wenn man das ändern wollen würde.

Nun ist Ihre Umweltbilanz schon ein Jahr alt. Wie war die Resonanz darauf?

Grundsätzlich haben wir viel Resonanz zu dem Thema bekommen, insbesondere in der Presse. Natürlich hat das auch Diskussion hervorgerufen, ob das abgeschaltet werden soll oder nicht und wie man umgeht.

Hat sich tatsächlich bei Bitcoin in der Richtung auch etwas verändert?

An der zugrundeliegenden Software ist Bitcoin natürlich ständig im Wandel, aber an den Key-Elementen des Minings hat sich nichts geändert. Allerdings gibt es natürlich Parameter, die sich bei Bitcoin ändern und das ist natürlich der Ausstoß von Bitcoin, also wie viele Bitcoin werden pro Tag generiert.

Vor Mai 2020 waren das 12,5 Bitcoins alle 10 Minuten, also pro Block. Im Mai war aber das Bitcoin-Halving. Sprich alle 210.000 Blöcke wird die Belohnung für die Miner halbiert, was ungefähr alle vier Jahre stattfindet. Das führt natürlich dazu, dass die Miner für ihre Arbeit weniger Geld bekommen. Dadurch hat sich auch der Markt der Miner konsolidiert, sprich ineffizientere Hardware ist vermutlich vom Netz gegangen, die gesamte Hash-Rate des Netzwerkes ist nach unten gegangen und das lässt sich auch an den Werten ablesen. Allerdings nicht so signifikant, als dass die Debatte beendet wäre.

„Die Debatte sollte sich aber auch darauf fokussieren, wie der Energiemix nachhaltiger gestaltet werden kann“

Das hat also zunächst nichts mit einem grüneren Denken zu tun, sondern rein mit dem ökonomischen Interesse?

Richtig.

Gibt es Möglichkeiten, Kryptowährungen langfristig nachhaltiger zu gestalten?

Rein auf den Konsens-Mechanismus gedacht hat natürlich der Proof-of-Stake einen geringeren Energieverbrauch, hat aber auch Nachteile wie eingangs erwähnt. Andere Währungen nutzen die Proof-of-Stake-Mechanismen, aber für Bitcoin vermuten wir nicht, dass sich das ändern wird.

Wenn man jetzt quasi erzwingen würde, dass nur erneuerbare Energien genutzt werden, würde das mit der zugrundeliegenden Topologie des Netzwerkes nicht funktionieren. Es ist ein dezentrales Netzwerk, es besteht darin, dass eben kein zentraler Akteur da ist, der das Netzwerk kontrolliert oder prüft, ob es nachhaltige Energie verwendet wird. Die Debatte sollte sich aber auch darauf fokussieren, wie der Energiemix nachhaltiger gestaltet werden, um nicht nur für Kryptowährungen, sondern auch für alle anderen energieintensiven Anwendungen zu einem niedrigeren oder inexistenten CO2-Ausstoß zu führen.

Vielen Dank für das Gespräch

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Steffen Bösweich

Steffen hat Medien, Politik und Kulturwissenschaft studiert und nebenher bereits erste Erfahrungen im Print-, Radio- und Hörfunkjournalismus gesammelt. Nach seinem Studienabschluss hat er seine Journalistenausbildung in einem Verlag für Wirtschaft & Sport absolviert. Dem Wirtschaftsjournalismus ist er auch bei seinen weiteren Tätigkeiten als Redakteur stets treu geblieben und verfügt inzwischen über mehr als zehn Jahre Berufserfahrung.

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