Schon am morgigen Handelstag soll es an der New Yorker Börse zu einer großen Premiere kommen. Denn dann könnte mit dem ProShares Bitcoin Strategie ETF der erste Bitcoin-ETF überhaupt am US-Finanzmarkt gehandelt werden. Auch das Produkt eines Wettbewerbers steht bereits in den Startlöchern. So ist geplant, dass die Papiere des Invesco Bitcoin Strategy bereits einen Tag später, am kommenden Mittwoch, im Handel verfügbar sein werden.
Einspruch der Börsenaufsicht SEC nicht in Sicht
Noch ist es jedoch nicht 100 Prozent sicher, dass der Bitcoin-ETF-Handel an der US-Börse startet, denn theoretisch könnte die US-Börsenaufsicht SEC noch auf den letzten Metern ein Veto einlegen und so den Handel stoppen oder zumindest verzögern. Allerdings ist dies recht Unwahrscheinlich, da die SEC schon seit 75 Tagen Zeit hatte, sich zu dem Handelsstart zu äußern. Da dies jedoch bislang ausgeblieben, wäre es doch eine sehr große Überraschung, wenn die Börsenaufsicht nun noch in letzter Sekunde nach vorne prescht.
Damit scheinen die Aufseher dem Handel mit Bitcoin-ETFS inzwischen offener gegenüber zu stehen als noch vor ein paar Jahren. Denn schon mehrfach hat die Behörde in der Vergangenheit den Handel von Bitcoin-ETF an der US-Börse einen Riegel vorgeschoben. Dass mussten damals etwa die bekannten Winklevoss-Zwillinge zu spüren bekommen.
Die Brüder sehen sich als die wahren Erfinder von Facebook. Ihre Geschichte und Auseinandersetzung mit Mark Zuckerberg, die in einem Milliarden-Vergleich endete, wurde sogar in Hollywood verfilmt. Doch in den letzten Jahren sorgten sie vor allem im Kryptomarkt für Aufsehen, etwa indem sie schon 2013 für 11 Millionen Dollar Bitcoin gekauft haben . Doch ihre Versuche, 2013 und 2018 einen Bitcoin-ETF aufzulegen, scheiterten beide Male.
Bitcoin aus der Nische auf dem Weg zur Massenadaption
Doch nun scheint die Situation eine andere. Inzwischen ist der Bitcoin nicht mehr nur ein Spekulationsobjekt, sondern wird von institutionellen Investoren wie Tesla als Wertspeicher und Absicherung gegen die Inflation des US-Dollars genutzt. Der Bitcoin ist damit nicht mehr ein Nischenprodukt, sondern der gesamte Kryptomarkt hat inzwischen eine Marktkapitalisierung von mehr als 2 Billionen Dollar aufgebaut. Damit handelt es sich um eine ernstzunehmende Anlageklasse wie etwa der Kauf von Aktien, Anleihen oder Rohstoffe wie Gold und Silber.
Hinzu kommt, dass der neue starke Mann der SEC, Gary Gensler, den Kryptomarkt zwar erst kürzlich als „Wilden Westen“ bezeichnet und damit wohl auf die immer noch starke Volatilität der Kurse angespielt hat, aber zugleich Digitalwährungen und insbesondere der Technologie dahinter nicht gänzlich abgeneigt zu sein scheint. So hielt der ehemalige Banker bereits selbst einen Vortrag zu Blockchain und Geld.
In der Krypto-Community war schon vor seinem Amtsantritt die Euphorie groß, dass sich mit seiner Amtszeit ein milderer Ton der US-Politik gegenüber dem Handel von Bitcoin & Co. niederschlagen könnten. Bisher scheint sich die Hoffnung zu bewahrheiten, auch wenn es immer noch viele Vorbehalte zum Digitalgeld gibt, das vielleicht auch als Gefahr für den US-Dollar bewertet wird.
Wie ernst Bitcoin und Co von den Staatsregierungen inzwischen genommen werden, zeigt etwa das Beispiel China. Während Peking dabei ist eine eigene zentrale staatliche Kryptowährung, den digitalen Yuan, einzuführen, wird mit Verboten und Einschränkungen der Handel mit Bitcoin im Land versucht immer stärker einzudämmen.
Bitcoin-ETF an US-Börsen könnte Meilenstein sein
Umso bullischer könnte jetzt die Einführung von Bitcoin-ETFs für den Kryptomarkt sein. Denn zwar gibt es schon Bitcoin-ETFs an verschiedenen Finanzplätzen, aber eben nicht an dem wichtigsten der Welt, den USA. Und Amerika ist auch die Heimat der Kryptomärkte. Denn hier entstehen nicht nur viele neue Projekte rund um Krypto, sondern in den USA wird auch das meiste Geld in und aus dem Kryptomarkt bewegt.
Es wird sehr spannend zu beobachten sein, ob die Einführung von Bitcoin-ETFs in den USA zu einer unmittelbaren Preisbewegung führt oder ob die Effekte vielleicht erst verzögert eintreten. In jedem Fall können die ETFs eine Schwelle bei jenen Anlegern abbauen, die sich bislang nicht an den Kauf von Bitcoin auf diversen Handelsbörsen herangetraut haben.
Sei es, weil ihnen die Anmeldung bei einer Kryptobörse und der Kauf von BTC als zu umständlich oder kompliziert erschien oder weil sie sich um die Sicherheit ihrer Investition sorgten.
Mit den Bitcoin-ETFs in den USA findet die Kryptowährung mehr denn je Zugang zum Mainstream. Jeder, der bereits ein Aktiendepot an der US-Börse hat, kann jetzt ohne viel Aufwand einen Bitcoin-ETF zu seinem Portfolio hinzufügen. Das dürfte die Adaption von Bitcoin als Investment für die Masse weiter vorantreiben.
Verliert Bitcoin seine Identität?
Anderseits mahnen Kritiker an, dass der Bitcoin mit der Adaption an den klassischen Finanzmärkten auch ein stückweit seine ursprüngliche Ausrichtung verlieren könnte. Denn eigentlich wurde Bitcoin nach der Finanzkrise als Gegenentwurf zum klassischen Finanzsystem konzipiert. Nun kommt es jedoch zu einer zunehmenden Annäherung. Die Hardcore-Bitcoiner der ersten Stunde könnten sich daran stören, denen es vor allem um die Unabhängigkeit von den Banken und Finanzmärken geht. Andere dürften den Weg aus der Nische mit Hinblick auf Marktwachstum und Wahrnehmung von institutionellen Investoren hingegen begrüßen.
Jeder, der die neuen Bitcoin ETFs kaufen will, sollte sich jedoch bewusst sein, dass er hier nicht wirklich Bitcoin kauft, wie etwa an einer Börse wie Coinbase. Wer also echte BTC besitzen will, wird an der Wallstreet nicht fündig.
Bitcoin-ETFs sind keine Bitcoins
Und auch bildet der ETF nicht den aktuellen Preis des Bitcoin-Kurses ab, sondern ist vielmehr eine Wette auf die Zukunft. Der ETF orientiert sich an BTC-Futures, also Terminkontrakte, die sich auf den (möglichen) Preis von Bitcoin in der Zukunft beziehen. Solche Future-Produkte lassen sich auch an diversen Kryptobörsen handeln und sind von Tradern ein gern genutztes Instrument, um über den zukünftigen Bitcoin-Preis zu spekulieren.
Deshalb empfiehlt es sich, nicht blind die neuen Bitcoin-ETFs zu kaufen, sondern sich vorab über die Art dieser Finanzprodukte zu informieren.
Wer Bitcoin als digitales Gold besitzen will und langfristig an eine rosige Zukunft für den Bitcoin glaubt, ist mit dem Kauf echter Bitcoin vielleicht besser beraten.
Die nächsten Tage und Wochen werden zeigen, wie gut die neuen ETFs an der New Yorker Börse angenommen werden und ob der Bitcoin-Kurs davon tatsächlich profitieren kann. Aktuell befindet sich BTC/USD nur knapp unter den Allzeithöchstständen aus dem April 2021.
Sollte BTC also in Kürze über 65.000 Dollar steigen, könnte dies auch das Interesse an Bitcoin-EFTs befeuern. Ein umgekehrtes Szenario ist jedoch ebenso denkbar. Stürzt der Bitcoin-Kurs bald stark ab, könnte dies auch dem Erfolg der ETFs in die Quere kommen.