Roland Kölsch ist Geschäftsführer der Qualitätssicherungsgesellschaft Nachhaltiger Geldanlagen mbH , die das FNG (Forum Nachhaltige Geldanlagen)-Siegel herausgibt. Im Interview mit Kryptoszene.de spricht er über die Kriterien des Siegels und warum es auch für Privatkunden wichtig wird.

Hallo Herr Kölsch, warum ist ein Siegel für nachhaltige Geldanlagen wichtig?

Generell denke ich, dass es ein Bedürfnis von Menschen ist, bei komplexen Themen einfache Botschaften oder Orientierungsmaßstäbe zu bekommen. Dadurch, dass dieser Begriff ja nicht geschützt ist – jede:r kann alles nachhaltig nennen, auch bei der Geldanlage – stellt sich dann schon die Frage: Was ist überhaupt eine richtige, vernünftige oder wirklich nachhaltige Geldanlage?

Es wird augenfällig, weil jetzt jeder Anbieter seine DNA analysiert und sein Schnipsel Nachhaltigkeit erkennt. Daher gibt es einen Wildwuchs und Produkte, auf denen zum Beispiel „Climate-Impact“ draufsteht, aber noch ganz viel Kohlegeschichten drin sind, die nicht immer was mit der nötigen Transformation zu tun haben. So gibt es also schon Mogelpackungen, wieso es nötig ist, hier mal die Spreu vom Weizen zu trennen und mit einem Label zu zeigen, das ist extern geprüft und validiert.

Wie konkret ist das FNG-Siegel entstanden?

Um das Label zu kreieren, hatten wir Fachjournalisten, Endanleger, Asset-Manager, die akademische Seite, Nachhaltigkeits-Ratingagenturen und konstruktive NGOs, die in drei Jahren überlegt haben, welche Elemente es in diesem Label geben muss. Bei den 10-12 Akteuren waren sowohl „Überzeugungstäter“ wie Ethikbanken, als auch solche, die nur am Rande damit zu tun haben. Das ist wichtig, weil es das Ziel war, möglichst breit Leute ins Boot zu bekommen. Klar, dass die Kirchenbanken eher auf die Ausschlusskriterien hindrängen und dass eine Fachjournalistin sagt, man müsse auf die Wahrnehmung aufpassen.

„Werden spezielle Themen, wie zum Beispiel Wasser, Energie, Bildung, Kreislaufwirtschaft angegangen?“

Was sind die Hauptkriterien des Siegels?

Erstmals soll das Siegel eine Pflicht beinhalten, wenn man so will einen Mindeststandard. Um sich überhaupt erst mal für eine nachhaltige Geldanlage zu qualifizieren, wollten wir gewisse Dinge nicht im Siegel integriert haben. Dazu gehört Waffen und Rüstung, denn die Nachhaltigkeit ist ja stark mit der Friedensbewegung verbunden.

Kernkraft ist auch ein No-Go. Da sich die Nachhaltigkeit ja je nach Herausforderung anpasst, ist jetzt seit zwei Jahren auch der Kohle-Bergbau mit ausgeschlossen. Die Kohle-Verstromung allerdings nicht pauschal, sondern weil da der komplette Ausschluss von Kohleverstromung gar keine Stromversorgung bedeuten würde, wurden zuerst 30 und jetzt 25 % Kohle akzeptiert und das wird sich fortsetzen. Sicher werden wir weit vor 2038 ganz kohlefrei sein. Fracking und Ölsande sind auch ausgeschlossen, weil damit massig Chemie in die Erde gepumpt wird.

Und mehr in Richtung Ethik: dazu gibt es ein Rahmenwerk des Global Compact zu Menschenrechten, Arbeitsrechten, Umweltschutz, Korruption und Geldwäsche. Wenn ein Unternehmen systematisch oder schwerwiegend gegen diese Prinzipien verstößt, ist es auch ausgeschlossen.

Für Staatsanleihen kommen normative Werke hinzu, also wozu hat sich die Staatengemeinschaft verpflichtet? Etwa das Klimaabkommen oder das Biodiversitätsabkommen. Die Staaten, die sich dazu nicht verpflichten, sind also auch ausgeschlossen. Das sind die harten roten Linien.

Das sind also die Mindestausschlusskriterien. Gibt es denn da noch Abstufungen zu besonders großer Nachhaltigkeit?

Bei den Mindestkriterien gibt es keine Kompromisse. Da, wo es spannend wird, ist aber bei den einzelnen Fragen: Gibt es ein gutes Reporting für Kunden? Haben Investor:innen ein Mitspracherecht? Gibt es ein Kontroversen-Monitoring? Wie sehen die Teams aus? Sind sie divers? Gibt es NGO-Experten? Werden spezielle Themen, wie zum Beispiel Wasser, Energie, Bildung, Kreislaufwirtschaft angegangen? Gibt das Haus immer noch viele Kredite an Kohlebergbauer und Nuklearunternehmen und hat zwei, drei schöne nachhaltige Fonds, oder nimmt es das Thema insgesamt wichtig? Gibt es Teams, die ein eigenes Budget haben, oder ist es letztendlich nur der Marketingmanager, der sich darum kümmert?

Diese gesammelten Elemente führen dazu, dass wir sagen, ein Haus, das in seinem Nachhaltigkeits-Finanzprodukt mehr macht, kriegt einen Stern im Siegel – das geht bis zu drei Sternen.

Wie kommt man als Anlage-Anbieter nun an Ihr Siegel?

Es ist ein Bewerbungsprozess. Bevor die Häuser die Bewerbung einreichen, gibt es sehr genaue Beschreibungen zu den Mindestkriterien, also Verfahrensbedingungen. Das heißt, die machen ihre Hausaufgaben vorher. Daher gibt es auch eine sehr geringe Durchfallquote, weil sich nur die bewerben, die schon transparent sind und eben sehen, dass sie diese Kriterien erfüllen.

Danach ist es ein Austausch. Dafür haben wir die Universität Hamburg als externen Partner. Die kriegen sehr viel Informationen – öffentliche und nicht öffentliche, die die Nachhaltigkeit und Prozesse konkret zeigen.

„Unsere Mindestausschlusskriterien haben Outperformance gebracht“

Bewerben sich viele?

Die Tatsache, dass wir jedes Jahr schneller wachsen und immer mehr Asset-Manager von verschiedenen Häusern stark und stärker nachfragen, zeigt, dass es eine gewisse Notwendigkeit hat. Das liegt daran, dass sie von Stiftungen, kleineren Pensionskassen und Vertriebskanälen darauf angesprochen werden. Von den Privatkund:innen kennt das in meinen Augen aber leider noch so gut wie keine:r. Das hat aber auch was damit zu tun, dass nachhaltige Geldanlagen an sich immer noch recht unbekannt sind.

Das ist das Henne-Ei-Problem: Die Berater sagen, es frage niemand danach, warum sollten wir das anbieten. Man muss das Ding aber eben populär machen und da haben sie eine Macht. Das wird zum Glück auch über die Gesetzgebung jetzt kommen. Wenn Privatinvestor:innen erst davon wissen, dann wollen sie auch wissen, woran sie Nachhaltigkeit in Geldanlagen erkennen und da ist unser Siegel eben eine Möglichkeit. Daher vermuten wir, dass die Bekanntheit sehr viel stärker wird.

Nun haben Privatinvestoren wohl das Siegel noch nicht so im Blick. Warum wäre es für sie aber wichtig, darauf zu achten?

Um zumindest eine Gewähr zu haben, dass gewisse Dinge umgesetzt oder nicht umgesetzt sind. Höchstwahrscheinlich wird der Mainstream nicht zu Nachhaltigkeits-Experten. Wenn man aber die Produkte nicht schlecht findet und sieht, dass das in der Vergangenheit auch kein Geld gekostet hat – empirische Studien zeigen ja, dass man nicht auf Rendite verzichten musste – und man kriegt eine Form von Nachhaltigkeit dazu, kann man das ja gut kaufen. Ich kriege umsonst etwas obendrauf und mache die Welt zumindest ein bisschen weniger schlecht.

Gibt es schon Erfahrungswerte, dass es bei dem konkreten FNG-Siegel genau so ist?

Wir haben keine Ergebnisse über die konkreten FNG-Produkte, aber eine schöne Rechnung von MSCI, dass zumindest unsere Mindestausschlusskriterien sogar Outperformance gebracht haben im Vergleich zum traditionellen Weltaktienindex.

Die Leute sagen ja immer Ausschlüsse kosten Geld und natürlich hat man dann theoretisch weniger Diversifikation, aber es scheint so zu sein, dass diese Ausschlüsse etwas gebracht haben.

Vielen Dank für das Gespräch

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Steffen Bösweich

Steffen hat Medien, Politik und Kulturwissenschaft studiert und nebenher bereits erste Erfahrungen im Print-, Radio- und Hörfunkjournalismus gesammelt. Nach seinem Studienabschluss hat er seine Journalistenausbildung in einem Verlag für Wirtschaft & Sport absolviert. Dem Wirtschaftsjournalismus ist er auch bei seinen weiteren Tätigkeiten als Redakteur stets treu geblieben und verfügt inzwischen über mehr als zehn Jahre Berufserfahrung.

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