Kryptoszene.de hat sich mit Bundestagsabgeordneten und Startup-Beauftragten der Grünen Bundestagsfraktion Dr. Danyal Bayaz über die großen Potenziale und Herausforderungen hinter Blockchain-Strategien unterhalten. Ein Interview über den Krypto-Standort Deutschland, Libra von Facebook & mögliche Handels-Verbote für Kryptowährungen.
Herr Dr. Bayaz, denken Sie Kryptowährungen und Blockchain-Technologie sind nachhaltige Wirtschaftsfaktoren?
Blockchain könnte sich dauerhaft durchsetzen, wenn sie relevante Anwendungen finden, bei denen die Blockchain-Technologie ihr volles Potenzial ausschöpfen kann – also bei der sicheren Abwicklung von Geschäften ohne Treuhänder. Davon gibt es leider zu wenige Anwendungen aktuell und viele Firmen sind auf den Hype aufgesprungen, ohne einen erkennbaren Mehrwert zu schaffen.
Sicherlich gibt es dabei auch immer einige schwarze Schafe…
Durch Betrug und nichtfunktionierenden Geschäftsmodellen bringen sie eine ganze Branche in Verruf. Da ist die Community auch gefragt, selbst aktiver vorzugehen, sonst droht der Technologie bei den Verbrauchern ein jähes Ende. Auf der anderen Seite sind viele Anwendungen aktuell nur etwas für absolute Experten, was wiederum Otto-Normalbürger*innen abschreckt.
Wie können Kryptowährungen und Blockchain-Technologien die Politik verändern?
Die digitalen Geschäftsmodelle verändern schon jetzt unser Denken und Handeln und stellen uns vor neue Herausforderungen, da klassische Geschäftsmodelle und Strukturen verändert werden. Blockchain hat das Potenzial, ganze Wirtschaftskreisläufe transparenter und effizienter zu machen.
Das klingt herausfordernd.
Eine zentrale Problematik besteht in der dauerhaften Speicherung aller Daten und unserer Datenschutzverordnung. Hier sind die Wissenschaft und Unternehmen gefragt, Lösungen zu erarbeiten, die beide Positionen zueinander bringt. Auf der anderen Seite müssen wir penibel darauf achten, dass es nicht zu massiven Rebound-Effekten beim breiten Ausrollen der Blockchain-Technologie kommt.
Einen Stromverbrauch wie Bitcoin werden wir als Standard kaum nutzen können. Zum Glück entwickeln kluge Forscher und Geschäftsleute jeden Tag neue Konsensmodelle und Protokolle, die dieses Problem adressieren.
In Südkorea bekommen Kryptowährungen massiven politischen Widerstand. Analysten sehen in der ostasiatischen Nation derzeit eine Art Trendsetter in Sachen staatlicher Regulierung. Wie ist Ihre generelle Einschätzung bezüglich Regulierung von Kryptowährungen?
Ein fester Rechtsrahmen wäre hilfreich für die zum Teil verunsicherte Community. Wichtig ist es aber, dass wir – auch aufgrund der schnellen Entwicklung der Technologie – schnell und flexibel regulieren und nachjustieren, evtl. auch im Sandboxing-Verfahren: Also bei dem Regulierer und Anwender zusammen arbeiten. Das ist am Ende auch im Sinne der Firmen und würde das Vertrauen der Nutzerinnen in digitale Zahlsysteme stärken.
Staaten leisten Widerstand, weil Sorge besteht, dass digitale Währungen die staatliche Geldpolitik untergraben würden und zu Verwerfungen im Finanzsystem führen. Finden Sie diese Sorge ist unbegründet?
Bislang nehmen Kryptowährungen nur einen minimalen Bruchteil des globalen Finanzsystems ein. Eine Gefahr für die Finanzstabilität besteht also aktuell nicht. Aber wenn z.B. Facebook seine Pläne für die digitale Zahlmöglichkeit Libra umsetzt, hätten auf einen Schlag Milliarden von Nutzern die Möglichkeit digitale Zahlungen in Libra zu tätigen. Regulierer und Gesetzgeber sind also gut beraten, sich vorzubereiten. Klar ist, dass Kryptowährungen einen disruptiven Einfluss auf die Finanzszene haben.
Kryptowährungen sind dezentrale Währungen, ohne Staat oder Banken als Regulatoren. Kann der Staat dann wirklich gar nichts mehr kontrollieren?
Der Staat legt auch für Kryptowährungen wie dem Bitcoin den rechtlichen Rahmen fest. Durch die Dezentralität und die digitale Vernetztheit wird es schwieriger alles zu kontrollieren. Aber am Ende gibt es keinen rechtsfreien Raum ohne jegliche Regulierung. Es ist schon denkbar, dass der Handel mit Kryptowährungen eingeschränkt oder verboten wird. Die bekannten Kryptowährungen haben aber aktuell nur einen minimalen Anteil am globalen Finanzmarkt, daher sind derartige Sorgen bislang unbegründet.
Das könnte sich natürlich zukünftig schnell ändern.
Ja. Da es steigendes Interesse an Kryptowährungen und digitalen Bezahlen gibt, sollten nationale Staaten bzw. Zentralbanken schnell eigene Kryptowährungen einführen oder die Infrastruktur bereitstellen, damit Geschäftsmodelle innerhalb einer staatlichen Lösung aufgebaut werden können. Südkorea, Schweden und China gehen da voran. Der Euro-Raum droht abgehängt zu werden.
Haben Sie persönlich schon mal mit Kryptowährungen hantiert?
Nein, ich habe bislang weder programmiert noch damit gehandelt. Ich lasse mir von Freunden aber immer mal einzelne Anwendungen zeigen.
Laut Koalitionsvertrag will die Bundesregierung sogar „eine umfassende Blockchain-Strategie entwickeln“. Wovon ist die Rede?
Die Bundesregierung hat inzwischen eine Blockchain-Strategie vorgestellt. Sie kommt leider sehr spät und gibt auf einige drängende Fragen der Community wie z.B. der steuerrechtlichen Behandlung von Krypto-Token und der Förderfähigkeit bestimmter Projekte keine Antworten. Aber immerhin ist der Anfang gemacht und das ist gut. Die Ankündigung eines Gesetzes für elektronische Wertpapiere ist begrüßenswert. Wir werden uns die angekündigten Gesetze genau anschauen und hoffen darauf, dass die Blockadehaltung zwischen Wirtschafts- und Finanzministerium den Prozess nicht weiter verzögert.
Wird Blockchain-Technologie früher oder später das deutsche Steuersystem Elster ersetzen?
Warum nicht? Einen Schritt weiter zu mehr Automatisierung bzw. zu nutzerfreundlichen Prozessen wäre richtig und wichtig. Das würde Firmen auch viel Bürokratie ersparen. Gleichzeitig müssen wir aber darauf achten, dass die Datensicherheit und der Datenschutz gewährleistet sind. Und darauf achten, dass die Umsetzung so gestaltet wird, dass es inklusiv und für alle zugänglich ist.
Welche politischen Ziele in Richtung Blockchain-Strategie der Bundesregierung können wir in den nächsten fünf Jahren erwarten?
Das müssen Sie die Bundesregierung fragen. Wir sehen die großen Potenziale der Blockchain, aber auch den massiven Energieverbrauch bei Proof-of-Work-Verfahren wie Bitcoin. Wir sollten daher schnell eine Regulierung schaffen, auch um die Rechtsunsicherheit bei Firmen zu beenden und damit wir schnell weltweite Standards setzen, die unseren europäischen Werten entsprechen
Zu Kryptowährungen existieren detaillierte technologische Beschreibungen und sogar Analysen zu potenziellen Regulierungsansätzen im Finanzsektor. Zu Blockchain-Potenzialen in anderen Kontexten, als Innovationstreiber in der öffentlichen Verwaltung, im Energiesektor, für Handel und Logistik, existiert dagegen bisher kaum fundiertes Wissen. Finden Sie, die Bundesregierung verkennt die Bedeutung von Blockchain?
Die Bundesregierung hat die Potenziale der Blockchain außerhalb des Finanzsektors erkannt, so unterstützt sie im Bereich Logistik und Produktion die Entwicklung von rechtssicheren Smart Contracts. Und auch im Bereich Energiewirtschaft fördert die Bundesregierung Projekte. Das könnte schneller und breiter erfolgen, aber noch stehen wir – auch 10 Jahre nach Bitcoin – am Anfang der Technologie. Und to be fair: Von den westlichen Staaten hat die Bundesregierung eine Vorreiterrolle!