Roman Beck ist Professor für Wirtschaftsinformatik und Leiter des European Blockchain Center an der IT-Universität Kopenhagen. In einem exklusiven Interview mit Kryptoszene.de spricht der Ökonom über potenzielle Sicherheitslücken von Blockchain und warum das Vertrauen in die Technologie so ähnlich ist, wie das Vertrauen in den Ölwechsel unseres Automechanikers.

Herr Beck, Vertrauen ist ein essentieller Bestandteil unserer Gesellschaft. Es ist der Kitt, der Menschen zusammenhält. Nun wird Blockchain häufiger als Technologie des Vertrauens bezeichnet. Was meint Vertrauen in dem Zusammenhang?

In der Tat ist Vertrauen primär etwas, das zwischen Menschen stattfindet. Wenn im Zusammenhang von Blockchain über Vertrauen gesprochen wird, dann wird in der Regel das Fehlen oder nicht Vorhandensein von Vertrauen gemeint. In einer Welt, in der es an Vertrauen mangelt, will man Garantien haben, dass Vereinbarungen eingehalten werden.

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Könnten Sie mir ein Beispiel nennen?

Ich vertraue meinem Automechaniker, dass der abgerechnete Ölwechsel tatsächlich durchgeführt wurde. Wissen kann ich es nicht. Nun wollen wir in der Regel wissen, woran wir sind, können es aber oftmals nicht beurteilen, da wir nicht selber über die notwendigen Informationen verfügen. Wenn es nun aber um Transaktionen geht, die in einer Blockchain durchgeführt werden, so kann man diese Informationen nun erhalten.

Man ersetzt somit Vertrauen durch Gewissheit bei den Teilen einer Transaktion, die mittels Blockchain umgesetzt werden können. Bei allen anderen werden wir auch weiterhin auf Vertrauen zwischen Menschen oder innerhalb einer Gesellschaft angewiesen bleiben. Ich habe auch noch niemanden sagen hören, dass Blockchain Vertrauen abschafft.

Können wir das Vertrauen in die Blockchain-Technologie mit dem Vertrauen gegenüber anderen Menschen gleichsetzen?

Nein, und zwar weil das konzeptionell gar nicht geht. Zwar wird Vertrauen durch Gewissheit ersetzt in den Bereichen, die durch Blockchain realisiert werden können, jedoch heißt das nicht, dass wir nicht mehr dem Programmierer oder Entwickler vertrauen müssen, da wir wohl kaum bei jeder Transaktion alles bis ins Detail nachverfolgen wollen.

So muss ich bei dem Ölwechsel trotzdem auch dem Automechaniker vertrauen.

Ich muss darauf vertrauen, dass der Mechaniker alles richtig gemacht hat. Aber letztlich muss ich mich ja selber trauen, mich auch ins Auto zu setzen. Wir trauen also Technologien, etwa insoweit, dass die Bremsen funktionieren oder dass unsere Daten im Internet sicher aufbewahrt werden. Heißen tut das aber noch nicht, dass wir den Technologien vertrauen.

Vertrauen in die Technologie heißt gleichwohl auch Vertrauen in die Institution dahinter?

Es kann es sein, dass Sie Ihrem Automechaniker, den Sie seit Jahren kennen, sehr wohl vertrauen. Nicht aber unbedingt der Werkstatt. Als Menschen werden wir immer das System mit dem Entwickler oder Hersteller assoziieren, dem wir gewisse mehr oder minder vertrauensbildende Attribute zusprechen.

Der Unterschied hier ist allerdings schon, dass ich bei permissionless public Distributed-Ledger-Technologien (DLT) Systemen jederzeit nachschauen kann und mich nicht nur auf Vertrauen in den Hersteller verlassen muss. Das können Sie so nicht von Ihrer Autowerkstatt bekommen.

Woran liegt es, dass wir insbesondere digitalen Technologien weniger vertrauen?

Weil wir sie nicht anfassen und mit unseren üblichen Sinnen begreifen können und wohl auf absehbare Zeit nicht das Vertrauen schenken, das wir anderen Menschen geben. Eigentlich paradox, da Technologien in ihrer Einfachheit besser vorhersehbar sind als das unberechenbare Verhalten von Menschen. Aber vermutlich sind wir noch nicht lange genug aus den Steinzeithöhlen heraus.

Wenn eine Blockchain gehackt wird oder jemand seine Credentials vergisst, verliert die Person das Geld. Macht das Blockchain dann überhaupt zu einem nachhaltigen Modell?

Wenn wir heute unsere Geldbörse verlieren, dann ist der Inhalt auch unwiederbringlich verloren. Aber ja, der Verlust von Credentials ist ein Problem, weshalb Single Key Lösungen insbesondere für wirklich kritische Dinge nicht akzeptabel sind. Wir werden in Zukunft auf Blockchain Services über General Wallets oder Universal Wallets zugreifen. Etwa wie die, die von der European Blockchain Services Infrastructure (EBSI), die im Entstehen ist, angeboten werden wird.

Die Blockchain-Technologie ist stark gehyped, aber ebenso umstritten. Ist das viel Marketing oder ist Blockchain am Ende wirklich so effektiv?

Blockchain Anwendungen, die richtig ausgestaltet sind, sind deutlich sicherer als existierende Anwendungen. Letztendlich können diese auch sicher gegen Hacks durch Quantencomputer ausgestaltet werden. Nicht ohne Grund arbeiten etliche Länder und eben auch die Europäische Union daran, eine entsprechende Infrastruktur als sichere Grundlage zur Durchführung jedweder Transaktionen zu etablieren.

Bei Debatten von Sicherheitsproblemen wird häufig das Scaling kritisiert. Wie bewerten Sie das?

Das Thema Skalierbarkeit wird eher undifferenziert diskutiert. Zum einen bedürfen nicht alle Anwendungen einen extrem hohen Durchsatz und zum anderen wird an Konsensmechanismen gearbeitet, die einen höheren Durchsatz erlauben. Darüber hinaus kann man auch verschiedene DLT-Systeme miteinander verbinden, um gewünschte Eigenschaften wie etwa Programmierbarkeit und Skalierbarkeit miteinander zu kombinieren.

Blockchain Projekte stammen meistens aus den USA oder China. Europa hängt deutlich hinterher. Verkennen wir die Potenziale von Blockchain?

Ich teile Ihre Einschätzung der Lage nicht. Die meisten Blockchain-Projekte kommen aus Europa und China. Es mag sein, dass nach Registrierung der Patente oder Fundraising die USA eine Rolle spielen, aber die Entwicklerteams sitzen nicht notwendigerweise in den USA. Aber es ist richtig, dass die im Entstehen begriffene Blockchain-Industrie noch sehr jung und deshalb noch nicht klar ist, welche Zentren sich herausbilden werden.

Was können wir tun, damit Europa eines dieser Blockchain-Zentren wird?

Ein positives IT Klima, regulatorische Weichenstellung und auch ein wenig mehr Unternehmertum, Blockchain-Projekte zu wagen, wäre sicherlich hilfreich, um diesem jungen Industriezweig in Europa zum Durchbruch zu verhelfen. Die EU und einige Länder tun dafür schon einiges, aber das geht noch besser.

 

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Beck!

 

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Dana Hajek

Ich bin freie Journalistin, lebe in London und studiere im Erasmus Mundus Master International Journalism, Media and Globalisation. Brennend interessiere ich mich für Zukunftstechnologien, Digitalisierung und (digitale) Trends.

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