Seit dem 1. Januar 2020 feiert Liechtenstein sein neues Blockchain-Gesetz. Ein Gesetz zur „zur Schaffung von Rechtssicherheit und Vertrauen in die Token Ökonomie“. Bittrex Global, die selbsternannten Pioniere der Blockchain-Revolution, nutzten die Chance und siedelten letztes Jahr ihr Unternehmen in den sicheren Hafen der Krypto-Exchanges um. In einem exklusiven Interview mit Krypzoszene.de spricht Bittrex Globals COO Stephen Stonberg über den Vorreiter EU, regulatorische Mängel an großen asiatischen Börsen und warum unser Finanzsystem gerade den Amazon-Moment erlebt.

Hallo Herr Stonberg, Sie haben 25 Jahre für JP Morgan, die Deutsche Bank und Goldman Sachs im Investment gearbeitet. Wie sind Sie zu Bittrex Global gekommen?

Ich bin Befürworter von Blockchain und sehe großes Potenzial hinter der Technologie. Vor 1,5 Jahren entschied ich mich in die Branche zu wechseln. Erst arbeitete ich im US-Büro von Bittrex, inzwischen für Bittrex Global in Liechtenstein.

Inwiefern wird Blockchain zukünftig die Bezahlungsprozesse verändern?

Bisher nutzen wir ineffektive Abrechnungssysteme. Eine Überweisung dauert durchschnittlich immer noch drei Tage. Mit Blockchain läuft es direkt. Somit ist es eindeutig eine sehr leistungsfähige Technologie. Natürlich bedroht sie auch existierende Player, daher wird auch gerne gesagt, sie sei böse und schlecht und wir sollten lieber den Status Quo der Geschäftsmodelle beibehalten.

Unser Finanzsystem hat sich für lange Zeit gegen innovative und weltverändernde Technologien gesträubt. Jetzt eröffnet sich mit  digitalen Vermögenswerten ein ganz neuer Markt. Wie stellen Sie sich eine Finanzwelt vor, die in 20 bis 30 Jahren auf Blockchain setzt?

Wer weiß. In dieser Branche sind sechs Monate schon eine wirklich lange Zeit. Es wird sich einiges ändern. Wie wird es ausgehen? Das bleibt unklar. Wird es reguliert? Absolut. Werden es Banken sein, wie wir sie heute kennen? Wahrscheinlich nicht. Werden es die gleichen Player bleiben? Vielleicht. Einige werden überleben und sicher werden neue dazukommen.

Könnten Sie das Zukunftsszenario vielleicht mit einem Beispiel illustrieren?

Blicken wir zurück ins Jahr 1994, kurz nachdem das Internet erfunden wurde und Amazon in den Markt einstieg. Wer hätte damals gedacht, dass Amazon ein globales Monopol im Einzelhandel haben würde? Sie verkauften Bücher. Auf einmal gingen viele andere Einzelhändler pleite. So wie Amazon den Einzelhandel veränderte, wird es vermutlich mit unserem Bankensystem passieren, ja,  Banken erleben sozusagen einen Amazon-Moment. Vielleicht sogar eine Kombination aus Amazon und Apple. Apple gibt in den USA seit Kurzem auch eine eigene Kreditkarte heraus.

Bleibt Amazon aufgrund seiner Monopolstellung vor gesetzlichen Regelungen verschont?

Nein. Abhängig von dem Land, in dem sie arbeiten, müssen sie den Regelungen folgen. Es ist ein Internet-Retailer, der Steuern zahlen und sich an die Gesetze halten muss. Und als Amazon startete, waren die Regelungen auch noch nicht klar. Es dauerte bis die Aufsichts- und Steuerbehörden hinterherkamen. Einige Jahre hat Amazon im Prinzip gemacht was sie wollten und irgendwann haben sie sich angepasst.

Welchen Schwierigkeiten begegnen wir allgemein auf den Krypto-Exchanges weltweit?

Es gibt eine Zweiteilung. Ich werde jetzt keine Namen nennen, aber einige der großen asiatischen Exchanges sind der Ansicht, dass Kryptowährungen nicht reguliert sein müssen. Deswegen machen sie, was sie wollen. Und selbst wenn ihre Büros in Hong Kong oder Shanghai sind, findet der Handel auf den Seychellen oder den Cayman-Inseln statt. Dort, wo es keine Regelung gibt. Bittrex Global macht ein KYC (Know Your Customer) oder AML (Anti Money Laundering), die Legitimationsprüfung von Neukunden zur Verhinderung von Geldwäsche. Sowas machen sie nicht, dort genügt eine E-Mail-Adresse. Stell dir eine Bank vor, bei der du ein Konto mit einer E-Mail-Adresse, ohne irgendwelche Hintergrundinformationen, eröffnest.

Das erscheint unvorstellbar. Warum entscheiden sich einige große asiatische Exchanges für diesen Weg?

Sie wollen schnelles Wachstum generieren. Sowas machen wir nicht. Wir operieren viel mehr in eine andere Richtung, weil Krypto für uns eine richtige Finanzdienstleistung ist.

Schnelles Wachstum hört sich erst mal ganz gut an. Was birgt das langfristig für Nachteile?

Wie bei jeder neuen Technologe brauchen die Behörden Zeit, um hinterher zukommen. Aber sie tun es am Ende. Und dann werden einige dieser Unternehmen nicht mehr operieren können. Im Moment befinden wir uns noch in einer Grauzone, aber da wird sich zukünftig einiges ändern. Wir haben den Vorteil, dass wir mit fünf Jahren eines der ältesten Unternehmen in der Branche sind.

Es gibt einige europäische Finanzzentren wie London, Luxemburg oder Frankfurt. Warum haben Sie sich ausgerechnet für Liechtenstein als neuen Unternehmensstandort entschieden?

In Liechtenstein bildet sich ein kleines Krypto-Valley, das die Community versammelt. Außerdem ist es auch ein etabliertes Zentrum für Finanzdienstleistungen und nur eine Stunde von Zürich entfernt, einem weiteren Bankenzentrum. 

Haben Sie Bittrex International im Zuge des Launchs von Bittrex Global geschlossen?

Bittrex International existiert noch, ist aber im Snooze-Mode. Der Exchange ist geschlossen. Der Exchange von Bittrex International handelt jetzt von Liechtenstein aus in Namen von Bittrex Global. Alle Kunden, die wir in Malta hatten, mussten unsere Servicebedingungen akzeptieren, um Kunden Liechtensteins zu werden. Das taten die meisten. Diejenigen, die nicht zugestimmt haben sind technisch gesehen immer noch Kunden von Bittrex International.

Wäre ein Account über Bittrex Global, dann vergleichsweise wie ein Konto von  der Online-Bank Revolut?

Genauso wie bei einer Online-Bank. Es dauert 10 bis 15 Minuten, bis du ein Konto bei uns erhältst. Das ist ein Prozess. Revolut könnte nicht einfach nur ein Konto mit einer E-Mail-Adresse akzeptieren, ohne zu wissen welches Individuum oder Geldquelle dahinter steckt. Als Fintech-Bank müssen sie trotzdem den Regelungen der Finanzaufsichtsbehörde BaFin folgen.

Bittrex Global hat mit rund 200 Handelspaaren eines der größten Sortimente an Tokens im Angebot. Wie wählen Sie diese Token aus?

Teams kommen auf uns zu und empfehlen sie uns. Dann müssen wir natürlich versuchen, die Projekte zu verstehen. Wir verpflichten uns der Due Diligence und versuchen, die Projekte zu verstehen. Und Tokens, die bei uns gelistet werden wollen, müssen auch das Liechtenstein-Rechtsgutachten überstehen, was auch mehr an die traditionelle Finanzwelt erinnert. Bei den meisten Exchanges wird ein Rechtsgutachten nicht angefordert. Da gibt es kein Gesetz. Kunden realisieren selbst nicht, was sie tun.

Auf der Website bietet Bittrex Global Anlegern eine sichere Möglichkeit, um sich auf die Token Economy einzulassen und Gewissheit zu schaffen. Was meinen Sie in Bezug auf Gewissheit?

Weil wir in Europa operieren. Die EU hat bereits mehr Klarheit in Bezug auf Utility Token und Security Token als die USA. Das ist Fakt. Dann arbeiten wir unter Liechtensteins Rechtsprechung, das innerhalb des Blockchain Gesetzes festsetzt, wie tokenisierte Vermögenswerte gehandelt werden müssen. Das Gesetz bietet damit hundertprozentige Gewissheit und Sicherheit. Es gibt nur sehr wenige Orte, an denen du dieses Level an Gewissheit haben kannst. Liechtenstein heißt die Technologie willkommen, sie verbrachten einige Jahre damit dieses Gesetz zu entwickeln. Unser Unternehmen findet die Verabschiedung dieses Gesetzes natürlich interessant, deswegen sind wir hier. Das ist genauso, wenn du sagst, du ziehst nach Deutschland oder in die Schweiz, weil du das Klima magst.

Denken Sie, dass Kryptowährungen auch Nachteile für die monetäre Politik mit sich bringen?

Das ist eine andere Unterhaltung. Wir sind ein Exchange, ein Handel mit digitalen Vermögenswerten, und begegnen daher anderen Regulierungen als Kryptowährungen. Ein spezifischer Anwendungsfall wäre zum Beispiel Facebooks Libra oder andere Stable Coins. Eine Währung, die möglicherweise traditionelle Währungen verdrängen könnte. Als Exchange befürworten wir aber eine klare Regulierung.

Die Gründung Ihres Unternehmens ist jetzt fünf Jahre her. Was können wir in den nächsten Jahren von Bittrex Global erwarten?

Fünf Jahre sind eine lange Zeit in der Branche. Wir wollen mehr Bekanntheit mit unserem Angebot erlangen, hoffentlich bald neue Funktionen und ein Kreditkarten-Onboarding hinzufügen. Genauso wie weitere Token und Währungen. Viele verschiedene Dinge, die wir im nächsten halben Jahr bekanntgeben werden.

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Christian Becker

Christian Becker ist Journalist von Beruf, seit ein paar Jahren ist er aber spezialisiert auf Kryptowährungen und Kursanalysen von Aktien bei Kryptoszene.de tätig. Er hat hauptberuflich bei IsarGold GmbH als Journalist und Analyst gearbeitet und schrieb auch regelmäßig für Kryptoszene.de, indem er Charts von Kryptowährungen und Aktien analysierte. Im März 2020 entschloss er sich weiterhin freiberuflich aber in Vollzeit bei Kryptoszene.de anzufangen und ist bis jetzt als einer der Hauptautoren und Redakteuren hier tätig.

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