- Bitcoin 25 Prozent unter Jahreshoch – Altcoins mit Verlusten bis zu 70 %
- On-Chain-Analyst Ki Young Ju sieht Bullenmarkt für beendet
- Was dagegen spricht: Kein einziger Top-Indikator schlägt Alarm
- Nachfrage und ETF-Flows uneindeutig – Konsolidierung statt Crash?
Der überschwängliche Optimismus auf einen Bullenmarkt schmilzt aktuell schneller dahin als ein Eiswürfel auf der Miner-Farm. Die Luft scheint raus – zumindest vorerst. Während Bitcoin sich mit letzter Kraft über der Marke von 80.000 US-Dollar halten muss, sind das etwa 25 Prozent weniger als noch zum Jahresstart, als der Kurs auf sein Allzeithoch von 109.000 US-Dollar kletterte. Doch wer meint, Bitcoin stünde unter Druck und sei der große Verlierer, besitzt wohl keine Altcoins; denn da brennt der Baum so richtig. Kursverluste von 50 bis 70 Prozent sind keine Ausnahme, sondern mittlerweile eher die Regel. Experte Ki Young Ju warnt vor einem Bärenmarkt. Was dafür spricht und was dagegen.
Experte Ki Young Ju warnt vor Bärenmarkt
Ki Young Ju, CEO der On-Chain-Analysefirma CryptoQuant, äußerte auf X die Ansicht, dass der Bitcoin-Bullenzyklus beendet sei. Er erwartet in den nächsten sechs bis zwölf Monaten stagnierende oder sogar fallende Kurse. Diese Einschätzung basiert auf verschiedenen On-Chain-Metriken, die auf einen Bärenmarkt hindeuten.
#Bitcoin bull cycle is over, expecting 6–12 months of bearish or sideways price action. pic.twitter.com/f80bnNhjy4
— Ki Young Ju (@ki_young_ju) March 17, 2025
Im Zentrum seiner Analyse steht der hauseigene Bitcoin Bull Score Index, der laut Ju aktuell auf unter 20 gefallen ist – dem tiefsten Stand seit zwei Jahren. Der Index kombiniert verschiedene Metriken wie Netzwerkaktivität, Profitabilität der Investoren und Liquiditätskennzahlen. Laut Ju deuten Werte unterhalb der Marke von 40 historisch auf Bärenmärkte hin.
Hinzu kommen weitere Indikatoren, die in dieselbe Richtung zeigen. Der MVRV Z-Score, ein bewährtes Maß zur Bewertung der Differenz zwischen Marktwert und realisiertem Wert, deutet laut Ju auf eine Überbewertung hin. Die Anleger beginnen Gewinne mitzunehmen und zu verklaufen. Auch der Profit and Loss Index, der Kauf- und Verkaufsaktivitäten abbildet, zeigt ein klares Verkaufssignal. In Kombination mit dem CryptoQuant Bull/Bear Cycle Indicator entsteht ein bärisches Gesamtbild, was Ju letztlich zu seiner Einschätzung führt.
Ein weiterer zentraler Punkt in seiner Argumentation: die Nachfrage – oder besser gesagt, das Fehlen derselben. In einem von ihm geteilten Chart zur Bitcoin-Nachfrage wird deutlich: Die großen Nachfragewellen traten bislang entweder nach dem Durchbrechen markanter Allzeithochs auf oder infolge massiver Crashs. Aktuell liegt beides nicht vor. Die Folge: Kaufinteresse bleibt aus, sowohl bei Privatanlegern als auch bei institutionellen Investoren. Selbst die ETF-Zuflüsse, einst gefeiertes Bullensignal, gerieten für mehrere Wochen ins Stocken – ein Detail, das Ju als zusätzliches Schwächesignal wertet.
I’ve been calling for a bull market over the past two years, even when indicators were borderline. Sorry to change my view, but it now looks pretty clear that we’re entering a bear market.
Realized cap-based indicators show a lack of new liquidity. Massive volume around 100K… pic.twitter.com/hAyJ5MvaQP
— Ki Young Ju (@ki_young_ju) March 18, 2025
Falscher On-Chain-Alarmismus? Warum Ki Young Ju sich auch irren könnte
Aber so fundiert die Analysen von Ki Young Ju auch sein mögen – seine Warnung vor einem drohenden Bärenmarkt verdient eine genauere Betrachtung. Mit Blick auf die Details seiner Aussagen wird erkenntlich, dass nirgends von einem “Crash” oder einem Start in einen langen, neuen “Kryptowinter” die Rede ist, sondern eher eine Phase ohne klaren Trend. Ju spricht letztlich selbst von einer “seitwärts gerichteten Preisbewegung“ über sechs bis zwölf Monate – kein Beinbruch also, sondern vielleicht klassische Konsolidierung in einem überhitzten Markt?
Ju hält schließlich auch trotz seiner bärischen Töne an seinen Spot-Positionen fest und verweigert aktiv das Shorten von Bitcoin. Und das ist doch entscheidend. Warum? Weil er somit nicht wirklich von einem dramatischen Einbruch ausgeht, sondern schlichtweg das Momentum schwinden sieht. Das wird in der öffentlichen Wahrnehmung gerne untergegangen.
Dazu kommt, dass die von Ju ins Feld geführten Indikatoren – etwa der Bull Score Index – vor allem Marktstimmung und kurzfristige Aktivität messen. Sie sind wichtig, selbstverständlich. Aber sie sind keine verlässlichen Vorboten eines langfristigen Trends. Vielmehr spiegeln sie genau das wider, was ohnehin schon sichtbar ist: Ein schwächeres Sentiment. Doch Sentiment ist kein Fundament.
Zudem ignoriert seine Argumentation eine Reihe klassischer Bullenmarkt-Peak-Indikatoren, die laut Coinglass aktuell alle nicht anschlagen: Der Pi Cycle Top, der Bitcoin Rainbow Chart oder der MRVZ Z Score bleiben stumm. Kein einziger der der 30 relevanten Zyklusindikatoren signalisiert ein Markt-Top. Das ist ein starkes Gegenargument gegen die Bärenmarkt-Rhetorik und bedeutet wohl “HODL” on.
Kritik gibt es auch an Ju’s Interpretation der ETF-Zuflüsse. Er wies auf drei Wochen negativer Flows hin – eine Momentaufnahme, wie sich nur Tage später zeigte, als die Nettozuflüsse wieder anzogen. So etwas sollte also eher nicht als Beleg für einen strukturellen Trend herangezogen werden.

Fazit
Ki Young Ju ist kein Crash-Prophet, sondern eher nüchterner Analyst mit ordentlichen Daten im Gepäck. Seine Indikatoren zeigen Schwäche – ja. Doch sie rufen jetzt auch keinen Krypto-Weltuntergang aus. Vielmehr ergibt sich das Bild einer Marktphase, die für Vielversprechende Kryptowährungen und smarte Anleger gar neue Einstiegsmöglichkeiten bieten könnte.
Die entscheidende Botschaft ist doch, dass weder Euphorie noch Panik aktuell angebracht sind. Die Indikatoren sprechen eine differenzierte Sprache – wer sie richtig deutet, erkennt vor allem eines: Der Markt holt Luft. Ob daraus ein neuer Anlauf wird, hängt nicht zuletzt davon ab, ob es gelingt, Vertrauen und Liquidität zurück in den Markt zu holen. Bis dahin gilt: Ruhe bewahren – und beobachten.
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